Projektbeschreibung

Die Jenaer (und Berliner) Frühromantik gilt als die herausragende intellektuelle Revolution junger deutscher Autor*innen und Gelehrter an der Epochenschwelle um 1800. Wurden in der so öffentlichkeitswirksam und nachhaltig wie dispers und zugleich netzwerkbildend agierenden Gruppe sowohl ›Geselligkeit‹ als auch die Kommunikationsform ›Brief‹ theoretisch reflektiert wie praktiziert, so liegen die Korrespondenzen der Akteure teils unvollständig, insgesamt aber in ungleichmäßiger Qualität und weitgehend nur im Print vor. Eine (auch quantitative) Erschließung der Briefe ist eines der größten Desiderate der Romantikforschung.

Das Projekt möchte im Zusammenwirken von Edition (mit hohen Anteilen an Annotation), Graphentechnologien, historischer Netzwerkforschung und Romantikforschung erstmals epistolare Kommunikationsprozesse und insbesondere den brieflichen Wissenstransfer der ›Romantiker*innen‹ untereinander und mit ihren weiteren Korrespondenzpartner*innen zwischen 1790 und 1802 systematisch und vollständig erfassen, digital publizieren und literaturwissenschaftlich wie netzwerktheoretisch auswerten. Im Umfeld eines vor allem ideen- und sozialgeschichtlich bereits gut erforschten Terrains (›Frühromantik‹) wird damit die Überlieferung einer den zeitgenössischen Alltag weithin bestimmenden Kommunikationsform nicht nur rekonstruiert und zugänglich gemacht, sondern es wird exemplarisch ein neues Paradigma der Erforschung von Briefen eröffnet sowie die fachwissenschaftliche Reflexion auf Theorie und soziale Praxis der ›Geselligkeit‹ in der Frühromantik und zu Rolle und Funktion des Briefs hierbei erweitert.

Zu diesem Zweck beabsichtigt das Vorhaben, Korrespondenzen zentraler Akteur*innen und solche von ›Randfiguren‹ der Frühromantik in philologisch zuverlässiger Weise in open access digital zugänglich und nachnutzbar zu machen, den technischen und wissenschaftlichen Erschließungsgrad zu erhöhen (Volltexte, normierte Meta- und Registerdaten inklusive kommunikationspragmatischer Elemente) und damit die quantitative und die qualitative Erforschung der Briefe aus einer gemeinschaftlichen Perspektive von Digital Humanities (Graphtechnologien, Netzwerkforschung, semantische Ähnlichkeitsanalyse) und Literaturwissenschaft anzuregen sowie selbst ins Werk zu setzen. Gruppenbildung und -dynamik sowie der damit einhergehende Wissenstransfer werden somit erstmals auf der Basis der Briefe (vor allem ihrer Meta- und Registerdaten) systematisch erschlossen und mit netzwerktheoretischen Methoden untersucht, die Ansätze der soziologischen, historischen und literaturwissenschaftlichen Netzwerkforschung für die Analyse dieser Korrespondenzen erschließen und weiterentwickeln. Ausgangspunkt des Projektes sind dabei die im Rahmen der Digitalen Edition der Korrespondenz August Wilhelm Schlegels (KAWS) bereits verfügbaren Daten.

Die ›Korrespondenzen der Frühromantik‹ werden für die kommende drei Jahre von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Das Projekt setzt sich aus drei Arbeitsstellen zusammen: Die Akademie der Wissenschaften und Literatur | Mainz, die Johannes Gutenberg-Universität Mainz sowie die Universität Trier. Unterstützt wird es zudem von den Mitverantwortlichen Prof. Dr. Anne Bohnenkamp-Renken und Prof. Dr. Christof Schöch.