Warum sollen wir der Biotechnologie und der Wissenschaft vertrauen?

Jan-Martin Wiarda, Maria Leptin, Clemens Hoch, Christian Drosten, Martin Carrier (v. l.); Foto: Astrid Garth

Am 17. März 2023 lud die WissKomm Academy in den Plenarsaal der Akademie der Wissenschaften und der Literatur | Mainz zur Podiumsdiskussion »Warum sollen wir der Biotechnologie und der Wissenschaft vertrauen?« ein. Unter der Moderation von Jan-Martin Wiarda diskutierten die Präsidentin des Europäischen Forschungsrats Maria Leptin, der Minister für Wissenschaft und Gesundheit des Landes Rheinland-Pfalz Clemens Hoch, der Wissenschaftsphilosoph Martin Carrier und der Virologe Christian Drosten über die Rolle der Wissenschaft in der Gesellschaft, insbesondere in den letzten Jahren, das Vertrauen in die Biotechnologie und die Wissenschaft und über die Bedeutung der Kommunikation in diesem Zusammenhang.

Wissenschaftskommunikation und Pandemie standen im Fokus des Impulsvortrags von Christian Drosten, der den Abend eröffnete. Der Direktor des Instituts für Virologie an der Charité Universität Berlin zeigte anhand der Erfahrung in der Covid-19-Pandemie, in der er eine zentrale Rolle in der Kommunikation zwischen Gesellschaft, Wissenschaft und Politik gespielt hat, auf, was Wissenschaftskommunikation leisten kann und muss und wo sie an ihre Grenze kommt. Sein Blick war jedoch nicht nur auf die Vergangenheit gerichtet, sondern auch in die Zukunft: Was können wir für die Zukunft lernen? »Anders als bei der Feuerwehr ist es leider nur sehr begrenzt möglich, durch gezielte Übungen und gezieltes Vorhalten die nächste Gesellschaftskrise auf der Ebene der Wissenschaft vorzubereiten«, reflektierte Drosten. »Dennoch kann die Wissenschaft im Zweifelsfall immer liefern, darauf darf und muss die Gesellschaft vertrauen«. Um das Vertrauen ging es auch in der Podiumsdiskussion weiter, in der Maria Leptin betonte, dass Vertrauen aus dem Verständnis für Wissenschaft und ihre Arbeitsweise erwächst. »Wie sollen die Leute Vertrauen erfahren, wenn sie nicht damit in Kontakt kommen?«. Deswegen sei es besonders wichtig, so die Präsidentin des Europäischen Forschungsrat, Schülerinnen und Schüler mit Wissenschaft in Berührung zu bringen und Wissenschaftsjournalistinnen und –journalisten in Fragen der Wissenschaftskommunikation mitzudenken und mit zu involvieren.
Dabei sei wichtig, nicht nur die Ergebnisse mitzuteilen, sondern auch die wissenschaftliche Arbeitsweise greifbar zu machen und zu verdeutlichen, dass Unsicherheit unvermeidlich und Kontroverse »Teil des Lebenselixiers der Wissenschaft« seien, hob in der Diskussion Matin Carrier hervor, der den Gedanken an eine »einheitliche Stimme der Wissenschaft« als »eigentlich riskant« empfindet. Auch Maria Leptin sieht in der Positionsdivergenz von Forschenden keinen Streit sondern einen wesentlichen Teil der Wissenschaft und »das muss gezeigt werden, dass wenn Wissenschaftler nicht miteinander übereinstimmen, dass sie das konstruktiv lösen. Und es gibt keine Wahrheit: Selbst wenn sich zwei Wissenschaftler, die nicht miteinander übereinstimmen, auf etwas einigen, es ist immer noch nicht sicher, dass es stimmt. Es kann immer noch ein dritter kommen. Und ich finde, genau das muss klargemacht werden.«
Zusammenfassend betonte Moderator und Wissenschaftsjournalist Jan-Martin Wiarda, dass man sowohl die Gesellschaft im Blick haben solle und ein wissenschaftliches Grundverständnis in der Gesellschaft und vor allem schon in den Schulen schaffen solle, zugleich aber auch bei den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ansetzen solle, und sie unterstützen, besser zu kommunizieren. In Linie mit diesem Ansatz hob Minister Clemens Hoch die Bedeutung eines Wissenschaftskommunikations-Werkzeugs zur Befähigung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hervor, besser zu kommunizieren: »Wenn wir Menschen befähigen, in der Wissenschaft über ihre Erkenntnisse so zu kommunizieren, dass Nachfragen gestellt werden, dass es interessant ist, dann haben wir ein kleines Maß an Handwerkzeug gelegt.«
Ebenso betont wurde in der Diskussion auch die zentrale Rolle des Journalismus für die Wissenschaftskommunikation sowie die mögliche Aufgabe für die Wissenschaftsorganisationen in den Raum gestellt, Leitlinien für Wissenschaftskommunikation als Unterstützung für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu erstellen. So kreierte die Veranstaltung der WissKomm Academy nicht nur einen vom zahlreichen und aktiv mitwirkenden Publikum im Saal und im Livestream dankbar wahrgenommenen Diskussionsraum für das wichtige und aktuelle Thema des Vertrauens und der Kommunikation der Wissenschaft und insbesondere der Technologien. Sie schaffte auch die Voraussetzungen für eine Weiterführung des Dialogs über Möglichkeiten und Herausforderungen der Wissenschaftskommunikation, ganz im Sinne der WissKomm Academy, die das Event ausrichtete.
Als Pilotprojekt der Akademie der Wissenschaften und der Literatur | Mainz, gefördert vom Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit des Landes Rheinland-Pfalz, nimmt die WissKomm Academy die Wissenschaftskommunikation unter die Lupe und dekliniert sie in unterschiedlichen Aspekten, Formaten und Veranstaltungen mit dem Ziel, ein Kompetenzzentrum für Wissenschaftskommunikation in Rheinland-Pfalz zu etablieren.

Die Veranstaltung kann weiterhin über die Mediathek der Akademie aufgerufen werden: https://youtu.be/tl23CZ2sAms

Weiterführende Informationen

Personen

  • Prof. Dr. phil. Martin Carrier
    Abt. Philosophie
    Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie
    Universität Bielefeld
    100131
    33501 Bielefeld

    home 05206/920971

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