Die Welt der Klänge – faszinierende Explorationen zwischen Kunst und Wissenschaft

>liquid borders<: 4kanalige Klanginstallation im Garten der Akademie Mainz (©Archiv Peter Kiefer)

Explorationen in die Welt der Klänge sind vielfältig und faszinierend: Hören bestimmt maßgeblich unser Leben, unser Verhalten und unser Wohlbefinden. Hören als Erkenntniswerkzeug trägt zum Verständnis unserer Welt bei und wird in der Klangkunst und künstlerischen Forschung thematisiert.

Meine Explorationen in die Welt der Klänge gehen weit über die Erforschung musikalischer Klänge hinaus. Ich befasse mich mit dem Hören allgemein und insbesondere dem Zu-Hören aller Klänge und Geräusche, seien diese aus unserem Alltag, in Städten und in der Natur oder sogar unter Wasser – bis hin zur Stille. Dabei nähere ich mich den Klängen einerseits mit einer forscherischen Fragestellung, andererseits mit dem Ziel der klangkünstlerischen Arbeit.
»… it’s all about listening« 

In dem Forschungsprojekt »ARS – art-research-sound« konnte ein kleines Team über sechs Jahre (2018–2023) unterschiedliche Themenfelder der Klangforschung definieren und die Ergebnisse in Projekten umsetzen.
So wurde unter dem Dach des Gutenberg-Forschungskollegs an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ein Projekt etabliert, welches neue Perspektiven für die interdisziplinäre Forschung zum Thema Klang eröffnet. Das Projekt widmet sich der Erweiterung des Wissens und des öffentlichen Bewusstseins über unsere hörbare Umwelt. Es erforscht die vielfältigen Beziehungen zwischen dem Klang als wissenschaftlichem Untersuchungsgegenstand und dem Klang als Medium der Kunst. Ausgehend vom Paradigma einer künstlerischen Forschung versuchen wir, Fragen der Wissensproduktion und der Kreativität in Bezug auf künstlerische und wissenschaftliche Aktivitäten zu untersuchen. Wir glauben, dass die Künste und die Wissenschaften von einer gegenseitigen Erkundung ihrer jeweiligen Formen der Wahrnehmung, Darstellung und Gestaltung der Welt sehr profitieren können.
Dabei steht im Fokus, dass durch Klang und Hören Fragen an die Welt gestellt werden können, die sich mit anderen Mitteln so nicht erschließen und somit zur Welterkenntnis beitragen.

Das Projekt konzentriert sich auf die Identifizierung und Untersuchung von Berührungspunkten zwischen Klangforschung und künstlerischer Praxis. Zunächst wurden fünf Bereiche als thematische Überschriften definiert:
– Klang und Phänomene
– Klang und Lebenswissenschaften
– Klang und Anthropologie/Kulturwissenschaften
– Klang und Natur
– Klang und Struktur.
Das Projekt zielt darauf ab, einen Dialog zwischen Wissenschaftlern und Künstlern in jedem dieser großen Bereiche zu ermöglichen. Das Projekt hat zu Veröffentlichungen, Konferenzen, Ausstellungen und mehr geführt.
In Kooperation mit der Akademie wird ein Podcast über »Die Welt der Klänge« im 75. Jubiläumsjahr der Akademie veröffentlicht werden. 

›liquid borders‹
Als Beispiel für eine künstlerische Umsetzung sei das Projekt ›liquid borders‹ genannt – es befindet sich im Garten der Akademie und wurde 2019 zu den bundesweiten Akademietagen unter dem Thema »Der Klang Europas« erstellt.
›liquid borders‹ ist eine akustische und visuelle Auseinandersetzung mit den Grenzen Europas und damit, was Grenzen ausmacht – was wir einschließen und was wir ausgrenzen wollen. Ich reiste für die Installation zu den Extrempunkten des europäischen Festlandes (Stand PreBrexit) und zeichnete die Klänge des Meeres am nördlichsten Punkt Schottlands, dem westlichsten Punkt in Portugal, dem südlichsten in Spanien und dem östlichsten in Zypern auf. Diese aufgenommenen Meeresrauschen erklingen in einer Vierkanal-Komposition zwischen Stahlkeilen, die exakt nach den Himmelrichtungen ausgerichtet sind. Der Effekt ist ein umfassendes Klangerleben, ein Umrauschtwerden, welches einhüllt und fast Sehnsucht weckt.
Schon die mit der Auswahl der Orte verbundenen Überlegungen führten zu einer Reflexion über die Grenzen Europas – und gingen darüber hinaus. Denn die Installation beinhaltet eine generelle Auseinandersetzung mit der Definition von Grenzen – sind es Zäune, Flüsse oder sind es Mauern …?
Quasi inmitten Europas sind so Wellen aus vier Himmelsrichtungen zu hören, die sich akustisch an vier Stahlkeilen brechen. Die höchst unterschiedlichen Klänge des Meeresrauschens und die Skulptur ermöglichen dem hörenden Betrachter eine ganz eigene Grenzerfahrung und lenken gleichzeitig den Blick darüber hinaus. Es öffnet sich ein Raum für eigene Gedanken und Reflexion; in diesem können wir uns ganz persönlich auf die Frage einlassen: Was sind die Grenzen Europas?

(Peter Kiefer)

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