Demotisch – Hieratisch – Kursivhieroglyphen: Forschungskontinuität in Mainz seit Gründung der Akademie
Veröffentlicht am , Rubriken: 75 Jahre – Themen aus der Akademie
Altägyptische Kursivschriften, »gemacht vom wirklich trefflichen Schreiber mit geschickten Fingern«, im Fokus der Forschung dreier Vorhaben, analog und digital
Vor genau 75 Jahren wählte die Mainzer Akademie den dänischen Ägyptologen Wolja Erichsen zum korrespondierenden Mitglied. Er lehrte seit einem Jahr erstmals altägyptische Sprachstufen an der Mainzer Universität und bereits 1950 begründete er das erste ägyptologische Langzeitprojekt an der Mainzer Akademie, das »Demotische Namenbuch«. Es wurde 50 Jahre lang gefördert und unter der Herausgeberschaft seines Schülers Erich Lüddeckens sowie dessen Schüler Heinz J. Thissen in den Jahren 1980 bis 2000 in 18 Lieferungen publiziert. Lüddeckens lehrte 1953–1963 das Fach Ägyptologie an der JGU Mainz, während Thissen nach seiner eigenen Projektzeit ab 1990 Professuren in Marburg und Köln innehatte und das »Demotische Namenbuch« ab 1994 leitete. Der von 1978 bis 1999 hauptamtliche Mitarbeiter Günter Vittmann führte seine Spezialisierung anschließend zwölf Jahre lang, wiederum unter der Leitung von Thissen, in dem neuen Mainzer Akademievorhaben »Altägyptisches Wörterbuch; Datenbank demotischer Texte« fort, welches in Zusammenarbeit mit dem Projekt »Altägyptisches Wörterbuch« der BBAW durchgeführt wurde. Die Quellen für das Demotische stammen ab ca. 700 v. Chr. aus elf nachfolgenden Jahrhunderten, dokumentieren vielfach Einflüsse von Nachbarkulturen und geben nicht nur Einblick in Verwaltung, Rechtswesen, Literatur und Wissensgebiete, sondern auch in die religiöse Welt der späten ägyptischen Epochen. Eine besondere Herausforderung stellt die sehr stark abgekürzte Schreibweise der demotischen Zeichen und Zeichengruppen dar, deren Ursprung aber nach wie vor das hieroglyphisch-hieratische Schriftsystem ist. Durch Erichsens »Demotisches Glossar« (1954), das »Demotische Namenbuch« und die digital verfügbare »Demotische Textdatenbank« wurde dieses schwer zugängliche Schriftgut für eine größere Zahl an Interessierten aufbereitet.
2015 startete das auf 23 Jahre angelegte Mainzer Akademievorhaben »Altägyptische Kursivschriften – Digitale Paläographie und systematische Analyse des Hieratischen und der Kursivhieroglyphen«. Somit wurde Mainz wiederum ein wichtiges Zentrum für die Erforschung altägyptischer Handschriften, diesmal insbesondere für die ältere Kursivschrift Hieratisch, die seit ca. 2800 v. Chr. belegt ist. Hieratisch wurde wie das spätere Demotisch mehr oder weniger abgekürzt in ganz Ägypten und bis zur Römerzeit für zahlreiche Textgattungen auf Schriftträgern wie Papyrus, Leder, Leinen, Ton, Holz oder als Graffiti und Dipinti an Bauwerken und Felswänden verwendet. Kursiv geschriebene Hieroglyphen, die die Bildhaftigkeit der Zeichen noch deutlich erkennen lassen, aber als Handschrift gewisse Vereinfachungen aufweisen, sind ebenfalls Gegenstand des aktuellen Projekts. Die Schreiber lassen in allen kursiven Schriftarten sowohl zeitgenössische Trends als auch Idiosynkrasien erkennen, neben Abkürzungen finden sich auch anspruchsvolle Kalligraphien. Die Ausbildung war langwierig und die Schreiber zeigten sich stolz auf ihre Fähigkeiten in Praxis und Ethos eines guten Beamten: »Gemacht vom wirklich trefflichen Schreiber, dem wahren Schweiger, mit gutem Charakter, dem Langmütigen, den die Menschen lieben.« (Assiut, TN37, Z. 6–7).
Die Arbeitsweise der Forschung hat sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt: Statt Abpausen mit Tusche und statischem Buchdruck erfassen die aktuellen Mitarbeitenden Svenja A. Gülden, Tobias Konrad und Kyra van der Moezel die kursiven Schriftzeichen in digitalen Faksimiles und in unterschiedlichen Datenformaten und verwalten die Metadaten in einer dynamischen Datenbank. Über die Open Access Plattform AKU-PAL, die vielfältige Such- und Vergleichsmöglichkeiten bietet, wird dieses Material der internationalen Community zur Verfügung gestellt. Durch die Kooperation mit Andrea Rapp fließen zudem Fragestellungen der Digital Humanities in das Projekt ein. Für die digitale Analyse der Schriftzeichen ist das Team überregional und fachübergreifend vernetzt, um neue Methoden für die Ägyptologie und die Paläographie zu entwickeln.
(Ursula Verhoeven-van Elsbergen)
Weiterführende Informationen:
Paläographie des Hieratischen und der Kursivhieroglyphen: https://aku-pal.uni-mainz.de/ Demotische Textdatenbank: https://aaew.bbaw.de/tla/
Weiterführende Informationen
Personen
-
Prof. Dr.
Ursula
Verhoeven-van Elsbergen
Institut für Altertumswissenschaften, Ägyptologie
Fachbereich 07
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Hegelstr. 59
55122 Mainz
work 06131/39-38349
verhoeveatuni-mainz.de
https://www.aegyptologie.uni-mainz.de/verhoeven/