Ursula Krechel
ABER SIE KENNEN DOCH WOHL MASSGEBLICHE THEORIEN?
Was ist das Übergangsobjekt zwischen einem Laib Brot und dem Mond
es könnte ein Messer sein oder die Milchstraße
die Hand, die ein Messer hält, Fingerabdruck
ist das Übergangsobjekt zärtlich oder wird es mit Zärtlichkeit behandelt
bis, ja, bis es keines mehr ist: Übergang, Windfang
Wehgeschrei, wenn dem Teddy ein Knopfauge fehlt
was wäre das Übergangsobjekt zwischen Tee und Kanne, wenn die Tasse
stehen gelassen worden und die Tülle einen Sprung
ein Tropfen rinnt hinab, das kann’s doch nicht sein?
In einer Pfanne ist kein Übergang zwischen Fisch und Fleisch zu benennen.
Ist das Hüftsteak Subjekt oder Objekt und die Pfanne —
in jedem Fall spritzt Fett, zischt, das ist kein Argument
was könnte das Übergangsobjekt zwischen Lebensmittel und Lebensende
wenn inneres und äußeres Objekt wie Kesselflicker
und das Ich zu schwach ist, um Schlüsse zu ziehen
bis die Anschauung zu Bröckchen zermalmt ist und Vermutungen sich türmen
wenn der Mund offen steht, vollmondrund, kariöse Zähne
oder eine Krume vom Brot, Sternschnuppenstaub abfällt
haust du nun ab, Zwischenhändler, Saurierdarsteller, lauter Schaufensterreden
frag doch nicht, was für eine gigantische Inszenierung
zwischen Übelnehmen und kommoder Zusammenkunft?
Ursula Krechel
(seit 2013 Mitglied der Klasse der Literatur und der Musik, seit 2015 Vizepräsidentin der Akademie)