SYMPTOME - Paul-Henri Campbell

die erste elegie [Auszug]

wer, wenn ich schriee, störte sich denn an der mängel
ordnungen? & gesetzt selbst, es wärme
keiner mich tröstlich im schmerz: ich bin klinge & schneide
ärgeren daseins. denn das böse ist nichts
als des herzlichen anfang, den wir noch grade nicht sahen,
& uns verwundet es so, weil es das hassen gebärt,
& zu uns gehört. alle der mängel sind herzlich.

& so zermalmt mich nicht, denn wund verfugte ein lockfluch
funkeln & schluchzen. ach, wen erhöhen
wir denn im hauchen? mängel nicht, menschen nicht,
& die winzigen viren stärken den hohn:
da wir nichtig & endlich zu haus sind
in der verseuchten welt. es bleibt: uns erreicht
nirgends ein saum der uns einfang, dass wir täglich
wiederstünden; es bleibt uns die ekstase von gestern
& das verlorene scheusein einer geborgenheit,
die bei uns endlich fiel, & so schwieg sie & hilft nicht.

o & wie lacht, wie lacht, denn was blind rollt & fällt, braust
uns rasch erwischt – wen zerriebe es nicht, das versehrte,
krank verräusperte ächtzen, das einzelne lungen
grausam verheert. grinsen die diebe denn seichter?
lach: sie stecken sich an ersticken wandern heillos.

weißt dus doch nicht? stirb aus dem atmen, sieh leere
& versäumen, siehst du, wie wir warten; erbleicht da die flügel
die verleidete luft fühlen mit lungenschwerem zug.

aus: ruinierte elegien

Der Schriftsteller Paul-Henri Campbell gehört seit 2020 der Jungen Akademie | Mainz an.

© Paul-Henri Campbell

Zurück zu ›SYMPTOME‹