Prof. Dr. Bernhard Fleckenstein über den BioNTech-Impfstoff

Das Mainzer Pharmaunternehmen BioNTech hat am 9. November bekanntgegeben, einen Impfstoff mit über 90%iger Wirksamkeitsrate entwickelt zu haben. Wir haben unser Akademiemitglied, den Virologen Prof. Dr. Bernhard Fleckenstein, schon im Sommer innerhalb des Podcasts #InsideAkademie nach seiner Einschätzung zu Covid-19 befragt, nun haben wir ihn um ein weiteres kurzes Interview zu den neuesten Erkenntnissen rund um den Impfstoff gebeten. 

1. Herr Fleckenstein, wie schätzen Sie die Nachrichten aus der Mainzer Pharmafirma Biontech ein? Ist es die erlösende Nachricht mit Aussicht auf eine erfolgreiche Bekämpfung der Pandemie oder sollten wir mit einem solchen Optimismus noch vorsichtig sein?
Fleckenstein: Die Firma BioNTech in Mainz hat sich mit ihrem Impfkonzept an die Spitze der internationalen Kompetition vorgearbeitet. Dies ist ist eine bewundernswerte Leistung. Das mRNA-Kozept ist genial. Wahrscheinlich werden geringe Nebenwirkungen und hohe Spezifität mit sehr effizienten Produktionsabläufen einhergehen, die sich rasch amplifizieren lassen. Optimismus ist erlaubt. Dennoch sind wir noch nicht auf der sicheren Seite. In der Vergangenheit hat es bei der Einführung neuer Virus-Impfstoffe immer wieder Rückschläge gegeben, mit denen zunächst niemand gerechnet hatte. Hoffen wir also das Beste!

2. In den USA könnte der deutsche Impfstoff noch in diesem Jahr zugelassen werden, da dort eine Notfallgenehmigung beantragt werden kann. Können wir auch in Deutschland mit einer rascheren Zulassung rechnen als ursprünglich gedacht?
Fleckenstein: Der Druck auf die Zulassungsbehörden ist enorm angesichts der gigantischen Probleme durch die Pandemie, in USA ebenso wie in Europa. Bisher ist alles schneller gegangen als gedacht. Deshalb erwarte ich, dass wir in Deutschland synchron mit den USA mit der Impfung beginnen können.

3. Die Impfstoffentwicklung ist bemerkenswert schnell vorangegangen, viele Menschen wollen sich aus Angst vor Nebenwirkungen vorerst nicht impfen lassen, weil Sie bei der Impfstoffentwicklung mangelnde Sorgfalt aufgrund des Zeitdrucks vermuten. Sind diese Ängste berechtigt?
Fleckenstein: Für spezifische Ängste gibt es bisher keinen Anlass. Ich würde mich am ersten Tag impfen lassen.

4. In den letzten Wochen wurde in den Medien von einem mutierten Coronavirus bei Nerzen berichtet. Ein Impfstoff, der jetzt entwickelt wird, würde gegen diese Mutation nicht helfen. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit weiterer solcher Mutationen?
Fleckenstein: Es gibt bereits reichlich Literatur zur Selektion bestimmter Virus-Mutanten hoher Kontagiosität (D614G etc.). Bisher scheint aber die Antigenität des Spike-Oberflächen-Glykoproteins konstant zu sein. Coronaviren sind weniger variabel als viele andere RNA-Viren. Was es mit dem Nerzvirus in Dänemark auf sich hat, werden wir sehen. Denkbar ist vieles. Vorläufig können wir optimistisch bleiben.

5. Der Impfstoff muss bei ca. -70 Grad Celcius gelagert werden. Was bringt das für Probleme mit sich?
Fleckenstein: Kühltruhen bis -80 °C sind teuer und müssen vielleicht erst noch ausreichend fabriziert werden. Doch der Druck ist so gewaltig, dass dieses Problem lösbar sein sollte, zumindest in den Industrie-Staaten. In der Dritten Welt mag hier ein größeres Problem liegen.

6. Wie viel Zeit wird verstreichen, bis wir nicht mehr täglich mit dem Virus konfrontiert werden müssen? Wird sich mit einem Impfstoff wieder das einstellen, was wir als ›Normalität‹ bezeichnen? Was schätzen Sie?
Fleckenstein: Die Impfung könnte es im Laufe des nächsten Jahres erlauben, die Pandemie in Europa so weit einzugrenzen, dass wir zur Normalität zurückkehren können. Gerne würden wir innerhalb eines Jahres eine ›Herden-Immunität‹ durch Impfung erreichen.  Noch fehlen uns aber wichtige Kenntnisse zur Immunbiologie und zur Immungenetik, um die Realisierbarkeit abschließend zu bewerten.

 

 

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