Bausteine europäischer Rechtskultur und moderner Staatswesen: Zwei neue Langzeitvorhaben im Akademienprogramm 2020

Abb.: © Akademienunion

Mit Burchards Dekret Digital und Europäische Religionsfrieden Digital wurden der Akademie der Wissenschaften und der Literatur / Mainz im Rahmen des gemeinsam von Bund und Ländern geförderten Akademienprogramms gleich zwei neue Langzeitvorhaben bewilligt, die den digitalen Forschungsschwerpunkt der Akademie vergrößern und wichtige Bausteine für die Forschung zur Entstehungsgeschichte europäischer Rechtskultur und moderner Staatswesen liefern.

Burchards Dekret Digital. Arbeitsplattform zu Texterschließung und Wirkungsgeschichte früh- und hochmittelalterlicher Rechtskulturen
Kirchliches Recht hat in West- und Mitteleuropa bis ins 20. Jh.  fundamental zur Entstehung gemeinsamer Rechtsgrundlagen beigetragen. Im 12. Jahrhundert kommen dabei der Sammlung, der Systematisierung und der Fortentwicklung dieses Rechts große Bedeutung zu. Die bei weitem einflussreichste Sammlung dieser Zeit verdankt sich Bischof Burchard von Worms (1000–1025): Sein Werk, das sogenannte Decretum Burchardi, galt im 11. und 12. Jh. als das kirchliche Rechtsbuch par excellence. Das Projekt stellt das Decretum Burchardi in den Mittelpunkt grundlegender, multiperspektivischer Forschungen: Es erschließt die bedeutende handschriftliche Überlieferung, erarbeitet eine belastbare, kritische Edition – die schon seit langem ein Desiderat der Forschung darstellt – und sichtet die reichen Rezeptionsspuren in Deutschland, Italien, Frankreich und Spanien. Innovativ bei der Erarbeitung ist die digitale Erschließung ebenso wie die rezeptionsgeschichtliche Ausrichtung, die einen Eindruck von der gewaltigen Dynamik europäischer Rechtskulturen vermittelt. Die europaweite Verbreitung der Überlieferungszeugen sowie die epochenübergreifende Wirkung der Sammlung erfordern die weite Einbindung internationaler Kooperationspartner. Im Hinblick auf diese vielfältigen Aufgaben wird der Aufbau einer digitalen Arbeitsplattform angestrebt, die den wissenschaftlichen Austausch fördern, Materialien wie Handschriften und Kataloge zur Verfügung stellen und zugleich die Publikation der digitalen Edition vorbereiten soll. Die Laufzeit des Projekts beträgt 18 Jahre mit einem jährlichen Volumen von 340.000 €, mit Arbeitsstellen an der Universität Kassel, der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, sowie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Kolleg für Geisteswissenschaftliche Forschung (Käte Hamburger Kolleg). Die Leitung des Projekts liegt bei Prof. Dr. Ingrid Baumgärtner (Universität Kassel), Prof. Dr. Ludger Körntgen (Universität Mainz) und Prof. Dr. Klaus Herbers (Universität Erlangen-Nürnberg).

Europäische Religionsfrieden Digital
Zu den großen Herausforderungen Europas im 21. Jh. gehört die Ermöglichung einer friedlichen Koexistenz der Konfessionen und Religionen. Der konstruktive Umgang mit religiöser Pluralität ist eine Aufgabe, die sich aber nicht erst in der Gegenwart stellt. Richtungweisend für die langfristige Etablierung von Religionsfreiheit und Toleranz wurden die seit dem 16. Jh. getroffenen vielfältigen Religionsfriedensregelungen, die, über ihre religionspolitische Bedeutung hinaus, auch wesentlich zum Aufbau moderner europäischer Staaten beitrugen.  Für Religionsfriedensregelungen, die sowohl in politischen, als auch in gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kontexten wichtig waren, bediente man sich unterschiedlicher Rechtsformen wie Verträge, Reichstagsabschiede, Edikte, Mandate etc. Ziel des Langfristprojektes ist es, der Forschung europäische Religionsfriedensregelungen in einer kritischen, mit innovativen Digital Humanities-Verfahren erarbeiteten Edition zur Verfügung zu stellen und nach Open AccessKriterien web-basiert zu präsentieren. Dadurch wird es erstmals möglich, die Entwicklung von Religionsfriedensregelungen im »Kommunikationsraum Europa«, ihre textlichen Abhängigkeiten sowie ihre Rezeption und Wirkung über Kulturräume hinweg vergleichend zu verfolgen. Angestrebt ist eine enge Zusammenarbeit von Theologie und Geschichtswissenschaft mit den Digitalen Geisteswissenschaften, von der die Forschungsfragen und -perspektiven der beteiligen Disziplinen erheblich profitieren. Das Projekt ist auf 21 Jahre angelegt und hat ein Fördervolumen von 325.000 € pro Jahr, mit Arbeitsstellen an der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz in Kooperation mit dem Leibniz-Institut für Europäische Geschichte und der Universität- und Landesbibliothek Darmstadt. Projektleiter sind das Akademiemitglied Prof. Dr. Irene Dingel,  Direktorin des Leibniz-Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Abteilung für Abendländische Religions geschichte, und Prof. Dr. Thomas Stäcker, Direktor der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt.

                                    

Ansprechpartner:

Burchards Dekret Digital

Prof. Dr. Klaus Herbers

Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte und Historische Hilfswissenschaften Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Kochstraße 4/BK 9 91054 Erlangen

Tel.: 09131/85 22356, Fax: 09131/85 25891 

klaus.herbers@fau.de

Europäische Religionsfrieden Digital

Prof. Dr. Irene Dingel

Direktorin des Leibniz-Instituts für Europäische Geschichte Mainz (IEG) Abteilung für Abendländische Religionsgeschichte

Alte Universitätsstraße 19 55116 Mainz

Tel.: 06131/39-39340, Fax: 06131/39-30153

dingel@ieg-mainz.de

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