Satelliten und Klimawandel
, Rubriken: 75 Jahre – Themen aus der Akademie

Satellitendaten sind ein zentrales Werkzeug, um den Klimawandel und seine Folgen insbesondere in entlegenen Gebieten der Erde wie dem Amazonas-Regenwald beobachten zu können.
In Senken des Amazonastieflands tritt besonders häufig Nebel auf, der feuchtigkeitsliebende Pflanzen vor der Austrocknung bewahren kann. Im Zuge der globalen Erwärmung werden über dem Amazonas in Zukunft allerdings vermehrte und intensivere Dürreereignisse erwartet, wie z.B. die noch anhaltende sehr starke Dürre 2023–2024. Dadurch werden feuchtigkeitsliebende Pflanzen und damit die Biodiversität stark gefährdet. Nebel in tropischen Tieflandwäldern bietet stabile Bedingungen, wenn Regen zunehmend ausbleibt. Durch Nebelwasser charakterisierte Rückzugsräume können das Überleben von Arten gewährleisten, die mit dem Klimawandel ansonsten nicht zurechtkommen würden. Im Amazonas Regenwald sind dies insbesondere Flechten, Moose und Lebermoose, die epiphytisch Baumkronen besiedeln und Nebel als wichtige Wasserquelle nutzen. Über die Lage der Nebelfelder sowie deren Resistenz gegenüber Erwärmung und Dürren im Amazonas ist aber bis heute wenig bekannt.
Satellitendaten können grundsätzlich helfen, derartige Wissensdefizite abzubauen. Daten von operationellen Wettersatelliten sind seit den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts verfügbar. Mithilfe von entwickelten Computer-Algorithmen zur Wolkenerkennung und -charakterisierung mit physikalisch basierten und KI-gestützten Verfahren können aus den Satellitendaten Zeitreihen von Wolkentypen wie niedriger Stratus und Nebel abgeleitet werden.
Für den Amazonaswald konnte mit diesen Zeitreihen Nebel als häufiges Phänomen erkannt und damit erstmals große Flächen von Tiefland-Nebelwald kartiert werden. Die Analyse von MODIS-basierten Nebelkarten (MODIS = Moderate-resolution Imaging Spectroradiometer auf den Terra- und Aqua-Satelliten) zurückliegender Dürrejahre der letzten zwei Dekaden (insbesondere 2005, 2010, 2015/16) zeigt eine deutliche Abnahme der Tiefland-Nebelwaldfläche unter zunehmender Trockenheit. Es konnten mit Hilfe der Fernerkundungsanalyse allerdings auch solche Räume ausgewiesen werden, in denen der Nebel bis hin zu höchsten Dürreintensitäten persistent bleibt. Als Räume höchster Resistenz wurden insbesondere Täler und Senken ausgemacht. Nächtliche Kaltluftsammlung führt hier auch unter zunehmenden Dürren noch zur Kondensation und Nebelbildung im Kronenniveau. Die höchste Gefährdung des Tiefland-Nebelwalds zeigt sich in den südlicheren Gebieten des Amazonas, wo Abholzung und Regenwalddegradierung besonders prominent sind.
In Mitteleuropa stellt Nebel durch die auftretenden Sichtbehinderungen eher ein Problem für den Verkehrssektor dar und führt bei hoher Luftverschmutzung zu Smogepisoden. Gleichzeitig haben aber die räumlich sehr ausgedehnten Felder niedriger Stratuswolken, die häufig mit Nebel einhergehen, eine Kühlwirkung gegenüber einfallender Sonnenstrahlung und agieren daher als Kühlflächen gegenüber der Erderwärmung. Die Analyse langer satellitenbasierter Zeitreihen zeigt für Mitteleuropa eine Abnahme der Häufigkeit niedriger Stratuswolken und der damit verbundenen Kühlwirkung. Über die Erwärmung und damit ein ansteigendes Sättigungsdefizit kann diese Abnahme mit dem Klimawandel in Zusammenhang gebracht werden.
(Jörg Bendix)
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Prof. Dr. rer. nat.
Jörg
Bendix
Fachbereich Geographie
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