Niederdeutsch in Mecklenburg-Vorpommern – erforschen, lehren, lernen

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Bildquelle: Hanna Fischer (erstellt mit Regionalsprache.de)
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© Astrid Garth
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Niederdeutsch ist in Mecklenburg-Vorpommern Schul- und Abiturfach. Doch auf welcher Grundlage soll die Regionalsprache unterrichtet werden? Mit dem Digitalen Niederdeutsch-Atlas (DiNA) wird ein Kartenwerk erarbeitet, das die spezifischen Eigenheiten der Regionalsprache dokumentiert.

Gauden Dach, gouden Dach, goden Dach oder juten Dach? Niederdeutsch ist nicht gleich Niederdeutsch! Aber wo wird welches Niederdeutsch gesprochen, und wie hat sich der Dialekt in der jüngeren Vergangenheit entwickelt? Diese Fragen zur Variation der niederdeutschen Regionalsprachen sind nicht nur relevant für die Sprachforschung, sondern stellen eine zentrale Herausforderung dar, wenn Lehrmaterialien für den schulischen und universitären Niederdeutschunterricht benötigt werden. Dies ist aktuell der Fall, da das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern in der Folge der Ratifizierung der »Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen« die Vermittlung des Niederdeutschen in die schulischen Curricula aufgenommen hat.

Empirische Grundlagen, auf die sich Lehrmaterialien für den Niederdeutschunterricht aktuell stützen könnten, stammen aus dem 19. Jahrhundert, beziehen sich nur auf enge Teilregionen in dem norddeutschen Flächenland oder auf linguistische Detailfragen. Die spezifischen Kennzeichen des Dialekts, seine räumlichen Gliederungen und jüngeren Entwicklungen können auf dieser Grundlage nicht flächendeckend erfasst werden. Mit dem Digitalen Niederdeutsch-Atlas für Mecklenburg-Vorpommern (DiNA-MV) wird im Rahmen der Akademie-Arbeitsstelle »Niederdeutsch in Mecklenburg-Vorpommern« an der Universität Rostock seit Januar 2024 ein digitales, sprechendes Kartenwerk erarbeitet, das die dringend benötigte Basis für eine auf die Spezifik der regionalen Varietäten ausgerichtete Niederdeutschvermittlung an Schulen und Hochschulen liefert.

Grundlage des Kartenwerks sind umfangreiche Sprachaufnahmen der Wörterbuchstellen Rostock und Greifswald aus den 1960er Jahren. Diese hochwertigen und einmaligen Sprachdaten erfassen in einem dichten Netz von Untersuchungsorten die Entwicklungsdynamik des Dialekts vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis ins beginnende 21. Jahrhundert. Dieses Dialektaufnahmen werden digital gesichert, aufbereitet und erstmals umfassend linguistisch erschlossen. Durch die Präsentation als Kartenwerk wird die regionale Sprachvariation mehrdimensional abgebildet und für die zentralen Forschungsfragen der modernen Variationslinguistik empirisch auswertbar. Erste Auswertungen zeigen, wie sich Wandel im Dialekt über die Generationen und Regionen dokumentieren lässt: So nimmt in der abgebildeten Karte die Form sich von Osten nach Westen und von der älteren über die mittlere zur jüngeren Generation hin im Gebrauch zu und ersetzt die altdialektale Form sik. Die areale Ausbreitung folgt dabei der kulturellen und politischen Orientierung der Regionen. Andere sprachliche Merkmale wie z.B. die lautliche Hebung der Vokale vor R (Korn > Kurn, Perd > Pierd) oder die ›breiten‹ mecklenburgischen Diphthonge (gauden Dach) weisen dagegen große räumliche und zeitliche Stabilität auf, was die regionale Spezifik des mecklenburgisch-vorpommerschen Niederdeutsch verstärkt. Mit seinen sprechenden Karten wird der DiNA jedoch nicht nur als linguistisches und didaktisches Werkzeug dienen, sondern auch eine Informationsplattform für Bürgerinnen und Bürger der Region darstellen, die sich über die Dynamik und die Stabilität ihrer Heimatsprache informieren wollen.

Mit dem Vorhaben der Rostocker Akademie-Arbeitsstelle werden die zentralen Ziele des Akademienprogramms verfolgt: Die Dialekte Mecklenburg-Vorpommerns werden als immaterielles Kulturerbe nachhaltig gesichert, wissenschaftlich erschlossen und in einer Weise verfügbar gemacht, die sowohl der Wissenschaft als auch der Öffentlichkeit einen angemessenen Zugang eröffnet.

Webseite der Arbeitsstelle: https://www.germanistik.uni-rostock.de/forschung/sprachwissenschaft/arbeitsstelle-niederdeutsch-in-mecklenburg-vorpommern/

https://www.germanistik.uni-rostock.de/lehrende/wiss-mitarbeiterinnen-und-mitarbeiter/pd-dr-klaas-hinrich-ehlers/

(Hanna Fischer, Klaas-Hinrich Ehlers)

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