Methan – ein atmosphärisches Spurengas mit vielen Facetten

Alessandro_Volta_01.jpg
Bild: Die Zeichnung zeigt das von Alessandro Volta 1776 durchgeführte Experiment, mit dem er nachweisen konnte, dass es sich bei dem aus dem Seesediment aufsteigenden Gas um »brennbare Luft« handelte

Wer im Frühsommer zu den ersten Badegästen im Bodensee gehört, kann aus der Sedimentoberfläche kleine Gasbläschen freisetzen, die in die Wassersäule aufsteigen. Man kann dieses Gas auffangen und anzünden, ein beliebtes Experiment in Studentenkursen.

Wenn organische Substanz unter Sauerstoffabschluss abgebaut wird, entsteht am Ende Methan (CH4) und Kohlendioxid (CO2). Wer im Frühsommer zu den ersten Badegästen im Bodensee gehört, kann aus der Sedimentoberfläche kleine Gasbläschen freisetzen, die in die Wassersäule aufsteigen. Man kann dieses Gas auffangen und anzünden, ein beliebtes Experiment in spätsommerlichen Studentenkursen an fortgeschrittenen Abenden, das sogenannte Volta-Experiment.

Alessandro Volta, den man sonst eher aus der Elektrophysik kennt, hat auf diese Weise 1776 am Ufer des Lago Maggiore das Methan entdeckt und es durch Explosionsversuche vom kurz zuvor beschriebenen Wasserstoff unterschieden. Die Mikrobiologie und Biochemie der Methanbildung sind sehr komplex; erst muss polymeres Pflanzenmaterial (Cellulose, Hemicellulosen, Proteine, Lipide) in seine Bausteine zerlegt, dann diese Bausteine zu klassischen Gärprodukten (Alkohole, Fettsäuren, CO2, Wasserstoff u. v. m.) vergoren werden, die für die Umsetzung zu Methan zumeist einer weiteren, sekundären Gärung bedürfen. Am Ende steht die eigentliche Methanbildung, für die sogenannte Archaeobakterien oder Archaea verantwortlich sind. Das Zusammenspiel der Umwandlung von polymerer Biomasse zu Methan und CO2 liefert der beteiligten anaeroben, zumeist sehr sauerstoffempfindlichen Lebensgemeinschaft nur einen Bruchteil, nämlich ca. 15% der Energie, die eine aerobe vollständige Oxidation mit Sauerstoff bereitstellen würde. Die Differenz, nämlich 85% der ursprünglich in der Biomasse verfügbaren Energie, steckt noch im Methan. In sogenannten Biogasanlagen nutzt man daher diesen Prozess, um Abfallmaterialien zu Methan als Brennstoff zu vergären. Auf diese Weise decken wir gegenwärtig in Deutschland etwa 8% unseres Energiebedarfs.

Das im Seesediment gebildete Methan diffundiert an die Sedimentoberfläche und wird noch vor Erreichen der Wassersäule fast vollständig zu CO2 oxidiert. Hierfür ist neben der Oxidation durch aerobe Bakterien auch eine Nitrat-abhängige Oxidation verantwortlich, die man erst seit ca. 15 Jahren kennt und die auch im Bodensee eine wichtige Rolle spielt. Zwar wird auch bei diesem Prozess das reaktionsträge Methan durch eine sauerstoffabhängige, sog. Oxygenasereaktion angegriffen. Der hierfür erforderliche molekulare Sauerstoff wird im Zuge der Reduktion von Nitrat zu Luftstickstoff (N2) wahrscheinlich durch eine Disproportionierungsreaktion aus dem intermediär entstehenden Stickstoffmonoxid (NO) gebildet. Auf diese Weise trägt die Methanoxidation im Sediment zur Minderung von gebundenem Stickstoff bei, den der See noch als Erinnerung an seine »fetten« Jahre der Eutrophierung mit sich trägt, die ihr Maximum um 1980 erreichte. So schließt sich der Kreis von der Nährstoffüberversorgung in den 1960er- und 1970er-Jahren zur Nährstoffverarmung (Re-Oligotrophierung) der Gegenwart. Zugleich tragen aerobe und nitratabhängige Methanoxidation entscheidend dazu bei, dass nur Spuren des als potentes Treibhausgas bekannten Methans die Atmosphäre erreichen. 

(Bernhard Schink)

Weiterführende Informationen

Personen

Zurück zur Übersicht

...nach Jahren