In guter Gesellschaft: Aldous Huxley wird Mitglied der Mainzer Akademie
, Rubriken: 75 Jahre – Themen aus der Akademie




Schon früh zeigte die Mainzer Akademie ein gutes Gespür bei der Wahl ihrer Mitglieder. Wussten Sie, dass bereits 1950 Aldous Huxley in die Klasse der Literatur aufgenommen wurde?
Wer kennt ihn nicht – den Weltklassiker ›Brave New World‹ (1932) von Aldous Huxley (1894-1963). Freilich ist weniger bekannt, dass der erste deutsche Verleger Anton Kippenberg vom Insel-Verlag größte Bedenken hatte, den programmatischen Titel – ein Zitat aus dem letzten Akt von Shakespeares ›The Tempest‹ (1611) – mit der damals favorisierten Übersetzung von Schlegel/Tieck – mit ›Wackre Neue Welt‹ zu übersetzen, da es eine gefährliche Missdeutung auf Amerika nahelege. Schließlich einigte man sich auf ›Welt – Wohin? Ein Roman der Zukunft‹ (1932), nachdem andere Möglichkeiten ebenfalls ausgeschlossen wurden, etwa ›Welt am laufenden Band‹ und ›Herrlich weit gebracht‹.
Herrlich weit gebracht hat es Aldous Huxley selbst. Für seinen anti-utopischen Roman wurde der scharfsinnige Denker euphorisch gefeiert und zum einflussreichsten Autoren und Intellektuellen erhoben. Auszeichnungen und Preise folgten, und zwischen 1938 und 1963 wurde er mehrfach für den Literatur-Nobelpreis nominiert; erhalten hat er ihn allerdings nie.
Reibungslos hingegen klappte die Aufnahme in die Mainzer Akademie, wo er am 5. August 1950 einstimmig zum korrespondierenden Mitglied gewählt wurde. Unter dem Vorsitz von Alfred Döblin fand damals eine dreitägige Arbeitstagung statt, wo u. a. der Berliner Schriftsteller Martin Kessel, dessen Werk mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde, einen Vortrag über das »Zeitbewusstsein in der Literatur der Gegenwart« hielt. In dieser Sitzung wählte sodann die Klasse der Literatur sieben neue korrespondierende Mitglieder, die die internationale Breite der Akademie besonders eindrücklich reflektierten. Aus Frankreich wurden gewählt: Georges Duhamel und Julien Green, aus England: Karl Otten, aus Österreich: Max Mell, aus der Schweiz: Walter Muschg und aus den Vereinigten Staaten: Hermann Kesten und Aldous Huxley. Zu Huxley lesen wir u. a. im Wahlantrag: »Sein Name hat internationalen Klang als der eines originellen und tiefgründigen Reformers. Seine Bücher werden in aller Welt und in allen Sprachen gelesen. Huxley, vertraut mit dem, was moderne Wissenschaft und Technik an neuesten Errungenschaften zu bieten hat, propagiert eine entschiedene, von Grund auf zu ändernde Einstellung des europäisch-amerikanischen Geistes, um die Erde wieder lebenswürdig zu machen. Hier interessiert, dass er auch die Aufgabe und den Wert der Literatur neu formuliert hat. Sie biete uns mehr als Vergnügen, sie versähe uns mit Botschaft über das Wesen der Welt und sage uns auf seltsamen, aber sicherem Umweg etwas über die letzte Wirklichkeit hinter den Erscheinungen; sie erleichtere uns den Weg zur Mystik und zur Meditation, dem einzigen Mittel, um die Kommunion zwischen der menschlichen Seele und dem integrierenden Prinzip des Universums zu erlangen. Damit stößt Huxley zu den Grenzsituationen vor, die die brennenden Probleme für die neueste Literatur liefern, soweit sie sich über Tagesfragen erhebt. Höchste Aktualität zeichnet die Themen von Huxleys Romanen aus, es sei nur hingewiesen auf das bedeutende Aufsehen erregende Buch ›Brave New World‹, dem er den Roman ›Eyeless in Gaza‹ mit Perspektiven einer Nachatomkriegswelt folgen ließ.«
Die Akademie sollte Recht behalten: Noch heute ist zum Beispiel Huxleys ›Brave New World‹ auf Rang 56 der 100 meistgelesenen Bücher und auch die anderen Werke reflektieren eindrücklich Huxleys literarische Suche, »so etwas wie ein Gesamtverständnis der Welt zu erreichen« (Huxley in einem Brief vom 3.9.1946); eine Suche, die gerade heute von größter aktueller Brisanz ist.
(Christa Jansohn)
Weiterführende Informationen
Personen
-
Prof. Dr.
Christa
Jansohn
Argelanderstr. 140
53115 Bonn
work 0170/3622746
christa.jansohnatuni-bamberg.de