Projektbeschreibung

Die Regesta Imperii

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Monogramm Kaiser Friedrichs III. (1440-93) in einer Urkunde für den König von Dänemark vom 14. Febr. 1474

Die maßgeblich schon 1831 von dem Frankfurter Stadtbibliothekar und Städeldirektor Johann Friedrich Böhmer (1795–1863) begründeten Regesta Imperii (RI) verzeichnen in chronologischer Form sämtliche urkundlich oder sonst wie belegten Aktivitäten der römisch-deutschen Könige und Kaiser sowie einiger Päpste von der Karolingerzeit bis zum Beginn der Neuzeit (ca. 751–1519) in Form deutschsprachiger ›Regesten‹ (abstracts). Seit Böhmer von zahlreichen Historikerinnen und Historikern fortgeführt und um quellen- sowie forschungskritische Angaben bereichert, haben sie sich als ein international geschätztes Quellenwerk zur deutschen und europäischen Geschichte des Mittelalters etabliert.

1906 wurde die Schirmherrschaft von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien übernommen, auf deren Initiative sich 1967 die ›Deutsche Kommission für die Bearbeitung der Regesta Imperii‹ konstituierte. Zuerst von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert, betreut dieser eingetragene Verein mit anerkannter Gemeinnützigkeit das Grundlagenwerk seit 1980 als ein Projekt der Mainzer Akademie und arbeitet dabei eng mit Partnerinstitutionen der Österreichischen sowie der Berlin-Brandenburgischen Akademie und anderen Unternehmen der historischen Grundlagenforschung zusammen. Außer den eigentlichen RI, innerhalb deren von Band I (Karolinger) bis Band XIV (Maximilian I., 1486/93–1519) reichender Kerngliederung die Urkundenregesten Ludwigs des Bayern (1314–1347), Sigismunds (1410/11–1437) und Friedrichs III. (1440–1493) wegen ihrer archivbezogenen Publikation Sonderfälle bilden, sind in Mainz und Wien bislang 34 monographische Bände der renommierten »Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters…« herausgegeben worden.

Während dieser institutionellen Genese ist das Gesamtinventar der RI inzwischen auf 90 gedruckte Bände mit annähernd 130.000 Regestennummern auf rund 30.000 Seiten angewachsen. Weil dieser gewaltige, mit öffentlichen Mitteln geförderte, historische Informationsschatz nicht nur in jeder Universitäts-und geschichtswissenschaftlichen Institutsbibliothek vorgehalten werden, sondern jedem Interessierten weltweit jederzeit bequem zugänglich sein soll, ist er seit 2001 in Zusammenarbeit mit der DFG und der Bayerischen Staatsbibliothek sukzessive retrodigitalisiert worden. Er steht seit 2007 nicht nur in Form von Faksimiles der Buchseiten, sondern auch als unbeschränkt durchsuchbare Volltext-Datenbank zur kostenlosen Recherche im Internet mit der Möglichkeit direkten Nutzerfeedbacks.

Mit dieser grundlegenden Demokratisierung unseres Forschungs-ertrags ist die Retrodigitalisierung zur laufenden Digitalisierung geworden. Auch die 11 aktuellen, in Deutschland an sieben Arbeitsstellen betriebenen und von einer Geschäftsstelle in Mainz koordinierten Teilprojekte sind dem Prinzip des open access verpflichtet. Alle ihre Forschungsergebnisse werden nahezu zeitgleich mit den weiterhin gedruckten Neuerscheinungen zur kostenlosen Benutzung für »jedermann« in die Online-Regesten eingepflegt. Außer diesen offeriert die Regestenkommission auf ihrer Website noch eine der weltweit leistungsfähigsten Literaturdatenbanken zum thematisch-fachlichen Gesamtspektrum des Mittelalters mit derzeit rund 1,6 Millionen Titelnachweisen und zahlreichen Recherchemöglichkeiten. Weil dieser systematisch vermehrte RI-OPAC außer Monographien v. a. Aufsätze in Zeitschriften und Sammelbänden ausweist und völlig restriktionsfrei und kostenlos benutzt werden kann, wird er international stark frequentiert. Auf diese Weise – nämlich online – kommen der Grundcharakter und die Leistungsfähigkeit der RI besser zur Geltung als jemals zuvor (wobei das Buch natürlich seinen spezifischen »Nutzwert« behält): Ein Benutzer der nach der Bedeutung fragt, die die römisch-deutsche Zentralgewalt insgesamt oder nur ein einzelner Herrscher z. B. für die Genese Deutschlands, Österreichs oder Hessens gehabt hat, wer nach den Beziehungen zu Nachbarreichen, zu Rechtsprechung und Münzwesen oder auch nach der Rolle von Frauen und Kindern in der Vormoderne fragt, braucht nicht mehr zahlreiche Bände durchzulesen, sondern kann mit den entsprechenden Suchrecherchen an die RI-Online herantreten. Darüber hinaus können wir auf diese Weise sowohl die erarbeiteten Nachträge und Verbesserungen der existenten Regesten als auch zu-nehmend die noch unveröffentlichten Zwischenergebnisse der laufenden Forschungsarbeiten als work in progress zur Verfügung stellen. Dadurch müssen Fach-Community und interessierte Öffentlichkeit nicht bis zum Erscheinen der meist voluminösen Quellenbände warten, sondern können den Regestenbearbeitern gleichsam »auf den Schreibtisch blicken«, und diese wiederum realisieren eine ihrer Daueraufgaben: die Aktualität des abgebildeten Forschungsstandes und -diskurses zu gewährleisten.

Bericht 2021