Wie der Gecko die Wand hochläuft

Gecko auf einer Glasplatte; Foto: S. N. Gorb

Die Füße dieser erstaunlichen Tiere haben hoch-evolvierte Haftsysteme, die aus einem Zusammenspiel von mikroskopischer und nanoskopischer Struktur ihrer Zehen einerseits und der Chemie ihres Zehenmaterials andererseits entstehen.

Geckos sind die größten Tiere, die an Wänden und sogar kopfüber an Decken entlanglaufen können. Wie machen sie das?

1.     Mikro- und Nanomechanik. Geckofüße sind so gebaut, dass sie sich der Oberfläche, an der sie haften, maximal anpassen. Der Fuß folgt Oberflächenstrukturen bis hinunter zu Submikrometer-Größe. Moderne hochauflösende Verfahren ermöglichen die Strukturanalyse der Geckofüße bis in den entscheidenden Nano-Bereich und ihre präzise mikromechanische Charakterisierung: Gecko-Zehen tragen kleine Lappen, mit denen sie sich der Oberfläche festhalten. Die Lappen bestehen aus feinen, elastischen Härchen (Setae), die wiederum an ihren Enden in noch feinere Härchen (Spatulae) aufgespalten sind. Die Haftflächen an deren Enden sind nur noch etwa 150nm × 150nm groß, so dass auch Oberflächenrauigkeiten von Größen deutlich unter einem Mikrometer vollständig kontaktiert werden. Diese mikroskopische und nanoskopische Ausgestaltung der seiner Zehen ermöglicht es dem Gecko, fest an einer Oberfläche zu haften, aber auch von ihr wieder loszukommen.

2.     Material. Geckofüße bestehen, wie Reptilienhäute und Vogelfedern allgemein, aus einem β-Keratin. β-Keratin ist ein Strukturprotein, das die Eigenschaft besitzt, sich selbst in ein anisotropes Material zu organisieren (Die Eigenschaften eines anisotropen Materials haben in verschiedenen Richtungen verschiedene Werte; hier betrifft das vor allem die Elastizität). Seine Struktur lässt sich am ehesten als ein Nanofaser-verstärktes Gummi beschreiben. Die Aminosäure-Zusammensetzung des Gecko-Keratins sorgt für eine besonders intensive Anziehung – so genannte Van-der-Waals-Kräfte – zu chemisch sehr verschiedenen Oberflächen, von rauem Gestein bis hin zu glatten Blättern. Besonders erstaunlich ist, dass Geckos auch auf feuchten Oberflächen haften, oft sogar besser als auf trockenen. Die Rolle von Wasser für die Haftung konnte mittels Computersimulationen der Theoretischen Chemie geklärt werden: einzelne Wassermoleküle fungieren als Haftvermittler zwischen dem Keratin und der jeweiligen Oberfläche.

Die neuen Erkenntnisse sind auch für die Technik von großem Interesse. Sie dienen zunehmend der Entwicklung von bio-inspirierten Materialoberflächen für so Unterschiedliches wie Klebebänder und Kletterroboter. Sie entstanden zum Teil in einer Kooperation zwischen Stanislav Gorb (Zoologie, Christian-Albrechts-Universität Kiel) und Florian Müller-Plathe (Theoretische Chemie, Technische Universität Darmstadt), die ihren Ursprung in einem zufälligen Zusammentreffen in der Mainzer Akademie hatte.


Zur vertiefenden Lektüre:
Gecko adhesion on flat and rough surfaces: Simulations with a multi-scale molecular model, T. Materzok, D. De Boer, S. Gorb, and F. Müller-Plathe, Small 18, 2201674 (2022). [DOI: 10.1002/smll.202201674]

Evidence for capillarity contributions to gecko adhesion from single spatula nanomechanical measurements, G. Huber, H. Mantz, R. Spolenak, K. Mecke, K. Jacobs, S.N. Gorb, and E. Arzt, Proc. Nat. Acad. Sci. 102, 16293-16296 (2005).
[DOI: 10.1073/pnas.0506328102]


(Stanislav N. Gorb und Florian Müller-Plathe)

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