Dumm wie ein Fisch, beschränkt wie ein Spatzenhirn?

links: © Laura2310; rechts: © PuraVida_Fotografie (beide auf pixabay.com)

Gängige Urteile, welche die Tiere als dumm und beschränkt einstufen, sind nicht berechtigt, wie Beispiele aus dem Verhalten von Fischen und Vögeln zeigen.

Menschen halten sich oft für intelligent, während Tiere von ihnen meist als dumm und eingeschränkt eingestuft werden. Die beiden Autoren dieses Artikels haben sich über viele Jahrzehnte unter anderem mit Fischen und Eulen beschäftigt, deren Leistungen untersucht und dabei festgestellt, dass es sich bei manchen Vorstellungen über Tiere um nicht gerechtfertigte Vorurteile handelt. Auch wenn die Größe und teils auch die Struktur der Gehirne anderer Wirbeltiere sich von der des Menschen unterscheiden, sind Tiere zu beeindruckenden Leistungen fähig.

In der Wissenschaft wurden Tiere lange als ›Verhaltensautomaten‹ betrachtet, die vor allem von angeborenen Mechanismen gesteuert werden. Unsere eigene Forschung sowie die vieler Kolleginnen und Kollegen weltweit haben aber herausgearbeitet, dass dies nicht korrekt ist. Selbst ein Knorpelfisch wie der Rochen (s. Abbildung oben rechts) kann beispielsweise eine räumliche Aufgabe nicht nur durch die Orientierung an ortsfesten Objekten lösen (eine angeborene Fähigkeit), sondern sich auch an frühere Schwimmrouten erinnern (ein individuell gelerntes Verhalten). Ein anderes Beispiel: Putzerfische ernähren sich von den Parasiten, die sie von anderen Fischen entfernen; dabei ist es für sie überlebenswichtig, Raubfische von Friedfischen sowie neue Kunden von alten Kunden zu unterscheiden. Erstaunlicherweise können einzelne Putzerfische bis zu 1000 Kunden individuell unterscheiden und sich auch an die letzte Begegnung mit jedem einzelnen Kunden erinnern. Ein weiteres eindrucksvolles Beispiel: Schützenfische ›schießen‹ Insekten von Ästen über dem Wasser ab, indem sie einen gezielten Wasserstrahl produzieren. Dabei berücksichtigen sie nicht nur den Brechungswinkel zwischen Wasser und Luft (eine angeborene Fähigkeit), sondern beobachten auch die Fische in der Umgebung: Ort und Zeit des Auftreffens der Beute auf der Wasseroberfläche werden so berechnet, dass die Schützenfische schneller als die Konkurrenz die Beute erreichen (eine situationsangepasste Leistung)!

Ganz allgemein zeigen Tiere ein komplexeres Verhalten als früher angenommen. So unterschiedliche Arten wie Schützenfische und Schleiereulen zeigen ein Interesse an ungewöhnlichen Dingen in ihrer Umgebung. In einem Experiment zur sogenannten visuellen Suche, bei dem ein anders gestaltetes Objekt (Zielreiz) unter vielen gleichgestalteten Objekten (Distraktoren) versteckt ist, suchen die Schleiereulen und die Schützenfische den Zielreiz sehr effektiv auf eine Weise, die der menschlichen Vorgehensweise sehr ähnlich ist. Dies hätte man aufgrund ihrer kleineren und anders strukturierten Gehirne bis vor kurzem für unmöglich gehalten. Gerade die sprichwörtlichen ›Spatzenhirne‹ haben in den vergangenen Jahren überrascht; Vögel, spezifisch Rabenvögel, und einige Fische, zeigen Leistungen, die durchaus mit denen von Menschenaffen konkurrieren können. Vielleicht konnten Sie schon einmal beobachten, dass Rabenkrähen Nüsse auf die Straße werfen, um sie aufzubrechen (s. Abbildung oben links). Einige Krähen warten sogar darauf, dass Autos über die Nüsse fahren und sie dadurch öffnen. Es gibt auch Krähen, die aus Draht Haken so geschickt formen, dass sie an Nahrung gelangen können, die sie allein mit ihrem Schnabel nicht erreichen würden. Einige Krähen haben sogar das Konzept eines Lochs verstanden. Wenn diese Tiere in einem Experiment Futter mit einem Werkzeug z. B. über eine Fläche mit Löchern bewegen, um an die Nahrung zu kommen, meiden sie aktiv die Löcher. Andere Rabenvögel können einschätzen, ob ein Artgenosse sie beim Verstecken von Futter beobachten konnte. Wenn der Vogel das vermutete, versteckte er das Futter in einem unbeobachteten Moment an einem anderen Ort.

Vorstellungen, welche die Tiere als dumm und beschränkt einstufen, sind wissenschaftlich längst widerlegt.

(Horst Bleckmann und Hermann Wagner)

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