Vorträge auf der Mitarbeitertagung der Forschungen zur antiken Sklaverei (Mainz, 14. Oktober 2008):

Heinz Heinen: Einführung in den Themenschwerpunkt Kindersklaven - Sklavenkinder. Schicksale zwischen Zuneigung und Ausbeutung in der Antike und im interkulturellen Vergleich

Die Thematik Kinderarbeit und Kindersklaverei liegt nicht nur in der Luft, sie ist gewissermaßen die Verlängerung der letzten Tagung, die dem Menschenraub und dem Menschenhandel in antiker und moderner Perspektive gewidmet war. Dabei spielte der Frauenhandel eine ganz besondere Rolle. Neben den Frauen gehörten die Kinder in der Antike häufig zu den Opfern von Entführung, Missbrauch und Ausbeutung. Dies gilt allerdings nicht nur für die Antike. Die Meldungen der letzten Jahre über die Entführung von Kindern, speziell von Mädchen, und ihre sexuelle Ausbeutung haben uns aufgeschreckt und unseren Blick geöffnet für Zustände völliger Willkür und totaler Abhängigkeit. Auf den Bildschirmen und in den Zeitungen steht uns mit einem Schlag vor Augen, was Sklaverei bedeuten kann und in der Antike sicherlich häufig bedeutet hat. Jenseits dieser aktuellen Einzelfälle sehen wir uns heute mit einem riesigen Ausmaß weltweiter Kinderarbeit und -ausbeutung konfrontiert. Die International Labour Organization rechnet mit 218 Mio. Kindern, die in Arbeitsverhältnissen festgehalten werden. Davon werden etwa 126 Mio. zu gefährlichen bzw. gesundheitsgefährdenden Arbeiten gezwungen. Viele dieser Arbeitsverhältnisse ähneln Zuständen der Sklaverei, wie Textil- und Lederverarbeitung in Arbeitshäusern, Ziegelherstellung und Landarbeit, Hausdienste und sexuelle Ausbeutung.

Man muss sich in keiner Weise verbiegen, um in einem solchen Kontext die Aktualität des Projekts nachzuweisen. Es ist leicht zu zeigen, warum die antiken Verhältnisse auch jenseits der Altertumswissenschaften Interesse verdienen. Die Forschungen zur antiken Sklaverei stehen in einem Kontinuum, das sich von der Antike bis zur Moderne erstreckt. Den roten Faden bilden Missbrauch und Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft und Abhängigkeit. Zu den verletzlichsten Objekten solcher Ausbeutung gehören in der Antike wie zu allen Zeiten die Kinder. Ihr Schicksal bewegt sich auf einer breiten Skala, die von herzlicher Zuneigung bis zu herzloser Ausnutzung reicht. Manche hausgeborenen Sklavenkinder waren die Wonne, das delicium, ihrer Herren und nicht selten das Ergebnis einer Verbindung zwischen dem Sklavenherrn und einer unfreien Mutter. Andere Sklaven wiederum dienten und arbeiteten von Kindesbeinen an, bisweilen schon im Alter von fünf Jahren. Bei ihnen handelte es sich sowohl um hausgeborene Sklaven als auch um ausgesetzte oder käuflich erworbene Kinder.

Kurz werden einige Gesichtspunkte benannt, die sich beim Thema der Tagung aufdrängen: Zunächst zum Titel der Tagung: Kindersklaven - Sklavenkinder. Diese Doppelformulierung sollte andeuten, dass nicht alle Sklaven im Kindesalter in Arbeitsverhältnissen gebraucht und verbraucht wurden. Es hat unfreien Nachwuchs gegeben, der nicht durch Kinderarbeit bedrückt wurde. Zu denken ist an die vernae, die hausgeborenen Sklaven, denen ihre Herren Grabinschriften und Porträtbüsten gestiftet haben. Solche, aufs Ganze gesehen gewiss seltenen Fälle besetzen das positive Ende der Skala.

Unfreie Kinder wurden häufig als unfertige Erwachsene betrachtet. Während der Nachwuchs der Eliten streng erzogen wurde, erfreuten sich die Herren wenn man Seneca (prov.1,6) glauben darf, an der vernaculorum audacia, am freien Übermut der jungen Sklaven. Erziehungswürdig wären demnach nur die Kinder der Freien gewesen. Eine wichtige und weit verbreitete Annahme wird hier sichtbar: die durch Erziehung zu beseitigende Unfertigkeit des Kindes. Doch der Sklave bleibt gewissermaßen ewig unerzogen und unfertig, wenn man einmal vom Erwerb dienender Spezialfähigkeiten absieht. Er bleibt ein Kind, auch als Erwachsener. Diese verbreitete antike Betrachtungsweise dürfte erklären, warum erwachsene Sklaven als paides bzw. pueri bezeichnet wurden Unser boy und garçon stehen noch in dieser Tradition. Das Erstaunliche ist dann allerdings, dass die Sklaven, die doch vielen als Objekte und unfertige Kinder galten, durch Freilassung in den Bürgerstand gehoben werden konnten.

Eine einzige Tagung und einige wenige Referenten können das Spektrum der im Thema Kindersklaven - Sklavenkinder enthaltenen Möglichkeiten nicht abdecken, dennoch hat man sich bemüht, die Referate möglichst ausgewogen auf die griechische und die römische Welt, auf Texte und archäologische Zeugnisse, auf Rechtsgeschichte und Soziologie zu verteilen. Allen Referentinnen und Referenten wird herzlicher Dank für ihre Bereitschaft, einen Vortrag zu übernehmen, ausgesprochen, insbesondere der Gastrednerin der Veranstaltung, Frau Professor Erdmute Alber von der Universität Bayreuth. Es ist ein Anliegen, das Projekt "Forschungen zur antiken Sklaverei" mit aktuellen Problemlagen zu verbinden. Altertumswissenschaftler können aus der Beobachtung heutiger Verhältnisse Anregungen empfangen, die im Trümmerfeld antiker Überlieferungen nicht gefunden werden können.

Erdmute Alber, Bayreuth: Kinderhandel in Westafrika? Nationale Kinderschutzinitiativen und die Problematik der Mädchenarbeit in Nordbenin

Seit 15 Jahren arbeiten Sozialarbeiter, Nichtregierungsorganisationen und staatliche Ministerien in Westafrika in Kampagnen gegen den Kinderhandel sowie in Projekten der Sozialarbeit zur Verbesserung der Lebenssituation von Kindern. Diese Bemühungen werden im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit finanziell unterstützt. Schilder und Aufklärungsspots warnen vor dem Kinderhandel. Diese Aktivitäten basieren auf internationalen Konventionen, normativen Ideen über eine universelle Kindheit, und Geld aus dem Westen. Bis heute haben sich Anthropologen kaum mit der Thematik befasst, obgleich etwa das Thema der Fremdunterbringung von Kindern in der Ethnologie seit längerem diskutiert wird. Der Vortrag befasst sich zum einen mit dem Kinderhandelsdiskurs in Medien und in der Entwicklungszusammenarbeit, zum anderen mit der Lebenssituation von Mädchen, die als vom Kinderhandel betroffen gelten: vermittelte Hausmädchen in städtischen Haushalten Benins. Anhand ihrer Lebensgeschichten wird die Terminologie "Kinderhandel" hinterfragt und relativiert.

Josef Fischer, Wien: Kinderarbeit im klassischen Griechenland

Der Vortrag versuchte, in einem gerafften Überblick die wesentlichen Quellen, die zur Beurteilung der Arbeit von Kindern und Jungendlichen im klassischen Griechenland zur Verfügung stehen, zu präsentieren und einer historischen Analyse zu unterziehen. Der Schwerpunkt lag dabei auf literarischen, epigraphischen sowie archäologischen Zeugnissen aus der Stadt Athen. Es wurde festgestellt, dass entsprechende Belege nur sehr spärlich auf uns gekommen sind und wesentliche, die heutige Forschung interessierende Fragen meist offen bleiben müssen - etwa nach dem exakten Alter oder dem rechtlichen Status der erwähnten bzw. abgebildeten Personen. Dennoch konnte gezeigt werden, wie häufig das Phänomen der Kinderarbeit im klassischen Griechenland anzutreffen war, und in welchen Berufen und unter welchen Bedingungen Kinder und Jugendliche in dieser Epoche ihrer Arbeit nachgehen mussten.

Richard Gamauf, Wien: Sklavenkinder in den Rechtsquellen

Die Lebenswelten von Kindern und jugendlichen Sklaven sind aus den Rechtsquellen nur ausschnittartig erfassbar. Das Alter eines Sklaven war nur selten von juristischer Relevanz. Zentral für die juristische Beschäftigung mit Sklavenkindern ist hingegen deren ökonomischer Wert. Dieser wird bereits in den Diskussionen über die juristische Zuordnung des partus ancillae deutlich. In unterschiedlichen juristischen Zusammenhängen setzen sich römische Juristen mit der Sklavenausbildung auseinander: Aus diesen Texten geht hervor, dass die Ausbildung durchaus aufwendig sein konnte, dem Aufwand allerdings auch eine erhebliche Wertsteigerung des Sklaven gegenüberstand, welche bis zu einer ungefähren Verdoppelung des Wertes gegenüber einem nichtausgebildeten Sklaven gehen konnte. Die diskutierten Fälle scheinen einem kapitalarmen Kleinhandwerkermilieu zu entstammen, in welchem ein einzelner Sklave einen erheblichen Teil des Vermögens seines Herrn ausmachen konnte. Außerdem kann man Einblicke in die Ausbildungsbedingungen gewinnen, welche andere antike Quellen nicht gewähren. Unter den nichtökonomischen Sachverhalten ist vor allem die Einbeziehung noch minderjähriger Sklaven in das SC Silanianum hervorzuheben, was zur Folge hatte, dass auch jugendliche Sklaven nach der Ermordung ihres Herrn unter Umständen Folter und Hinrichtung zu gewärtigen hatten. Auf der anderen Seite lassen sich positive Auswirkungen persönlicher Nahbeziehungen, z.B. als Grundlage von Freilassungsprivilegien, feststellen.

Elisabeth Herrmann-Otto, Trier: Kindsein im römischen Reich

Leitidee des Vortrages war es zu zeigen, wie eng Sklavenkinder und freie römische Kinder im römischen Haushalt zusammen aufwuchsen. Die römischen Kinder wurden mit Sklavenkindern zusammen im Hause ihrer Eltern aufgezogen, von unfreiem Personal, Amme und Erzieher, in ihren ersten Jahren betreut, die für sie wie Ersatzeltern waren. Die Sklavenkinder waren ihre Ersatzgeschwister, oft auch Milchgeschwister, weil sie dieselbe Amme hatten. Bis etwa zum zehnten Lebensjahr blieben sie zusammen, und wurden auch gemeinsam in der eigenen Privatschule des Hauses in den Elementarfächern unterrichtet. Die Lehrer waren selbst Sklaven oder ehemalige Sklaven. Nach der Grundausbildung trennten sich die Wege der freien und unfreien Kinder bei der weiterführenden Fach- oder höheren Ausbildung. An dieser Struktur eines römischen Haushaltes änderte sich auch nicht viel über die Jahrhunderte hinweg.

Ein anderer Schwerpunkt des Vortrages galt dem Phänomen, dass aus einem freien Kind sehr schnell ein Sklavenkind werden konnte, und auch ein als Sklave geborenes Kind manchmal wie ein freies Kind (Zögling) aufwuchs und bald freigelassen wurde. Diese große Flexibilität zwischen Freiheit und Unfreiheit in der römischen Gesellschaft hängt damit zusammen, dass es dem Familienvater erlaubt war, seine eigenen Kinder auszusetzen. Wurden sie dann gefunden und vor dem Tod gerettet, dann wurden sie meistens als Sklavenkinder aufgezogen und nach einer guten Ausbildung als Handwerker oder Künstler im jungen Erwachsenenalter gewinnbringend weiter verkauft. Aussetzung überzähliger Kinder, die man aus Armut nicht mehr ernähren konnte, galt in der Antike als Geburtenkontrolle und war nicht nur erlaubt, sondern wurde sogar von griechischen Staatstheoretikern (Platon, Aristoteles) zur Bekämpfung der Überbevölkerung gefordert. Abtreibung war meistens - weil nicht richtig gehandhabt - zu gefährlich. Wurden die ausgesetzten Kinder allerdings später von ihren leiblichen Eltern wieder gefunden, mussten die Pflegeeltern nicht selten ohne Aufwandsentschädigung ihre Zöglinge zurückgeben. Erst Kaiser Konstantin (329 n. Chr.) änderte diese ungerechte Praxis: Die Zieheltern durften die ausgesetzten Kinder behalten. Die Eltern konnten ihre überzähligen Kinder gewinnbringend verkaufen mit der Möglichkeit des späteren Rückkaufs.

Kinderarbeit war in der gesamten römischen Welt verbreitet. Sklavenkinder arbeiteten in den reichen Haushalten ab dem 5. Lebensjahr. In weniger reichen Haushalten arbeiteten auch die freien Kinder. Obwohl die Arbeiten zunächst leicht waren (Füttern von Federvieh, Dienstleistungen bei großen Gastmählern etc.) starben viele Kinder in diesem Alter (17 %). Da sie auch nicht geschützt waren gegen gewerbsmäßige Prostitution oder auch die sexuellen Übergriffe ihrer Herren (delicati, delicatae), mögen viele Kinder an den Folgen dieser Praktiken gestorben sein.

Von einer Opposition gegen diese Zustände ist nicht auszugehen, weder von Seiten der Sklavenmütter noch der Kinder. Die Lebenswege freier und unfreier Kinder konnten sehr ähnlich positiv oder negativ verlaufen. Unfreie Kinder konnten durch ihren Herrn die Möglichkeit einer guten Fachausbildung erhalten, freigelassen werden und als römische Bürger fast ohne rechtliche Einschränkungen ein zufrieden stellendes Leben in Wohlstand führen. Manche von ihnen haben sogar Karrieren in der staatlichen Verwaltung, im Bildungswesen und in der Kunst gemacht. Freie Kinder, die versklavt worden waren durch Aussetzung oder Menschenraub, konnten nur darauf hoffen, entweder von ihren leiblichen Eltern wieder gefunden oder von ihren Herren freigelassen zu werden und dann das römische Bürgerrecht und die Freiheit zurückzuerlangen. Der römische Staat hat als einziger in der Menschheitsgeschichte durch die großzügig praktizierte Freilassung ein Modell entwickelt, in dem ehemalige Sklaven und zu unrecht Versklavte voll in die Gesellschaft als freie Menschen und römische Bürger integriert wurden.

Stephan Busch, Trier und Andrea Binsfeld, Trier: rosa simul florivit et statim periit ... Sklavenkinder in lateinischen Grabepigrammen

In Segobriga wurde im Jahr 2006 die fast vollständig erhaltene und aufwändig gestaltete Grabstele des Sklavenmädchens Iucunda gefunden, das im Alter von 13 oder 14 Jahren nach schwerer Krankheit verstorben war. Für das Thema der Tagung "Kindersklaven - Sklavenkinder" stellt diese Stele einen idealen Ausgangspunkt dar, da an ihr verdeutlicht werden kann, welche Bedeutung Sklavenkinder im Spannungsfeld zwischen Zuneigung und Ausbeutung, zwischen Eltern und Patronen einnehmen.

Die Grabstele weist gleich mehrere Besonderheiten auf: Neben einer Prosainschrift, die darüber informiert, dass die Mutter Nigella den Grabstein gesetzt hat und dass Manius Valerius Vitulus der Besitzer des Mädchens ist, liefert ein Grabgedicht weitere Informationen zum Leben und Tod der Iucunda. Die Darstellung einer Frau in Chiton und mit Kithara vervollständigt die Grabstele und illustriert die Aussagen der Inschriften.

Der Text des Epigramms, in dem Iucunda selbst dem Passanten (viator) über ihre Krankheit und ihren allzu frühen Tod berichtet, ist von einer bemerkenswerten Qualität. Nicht nur in sprachlich-metrischer Hinsicht (was die Ergänzung einiger beschädigter Partien ziemlich sicher erlaubt), sondern auch durch die klare Disposition und individuelle Gestaltung der sechs Distichen übersteigt es das in Grabgedichten normalerweise Gebotene deutlich. Mit Anlehnungen an die zeitgenössische Dichtersprache bis hin zu elegant integrierten Zitaten (neben Ovid der Landsmann Martial!) erweist es den Verfasser als Literaturkundigen. Inhaltlich bemerkenswert ist der im Schlussteil formulierte Abschiedsgruß an die Angehörigen. Nicht nur werden hier die Familienverhältnisse mit einer 'normalen' Terminologie beschrieben, die den Sklavenstatus der Verstorbenen nicht erkennen lässt (parentes, coniunx), überdies kommt auch pointiert ein "Ehemann" ins Spiel, der auffälligerweise im Prosapräskript des Grabsteins nicht figuriert. Vermutlich ist er mit dem im letzten Vers vates, Sänger/Dichter, Genannten zusammenzubringen, dem "Apollo ebenso gewogen sein soll wie einst der Verstorbenen", die ja ihrerseits als Musikerin abgebildet ist; möglicherweise ist er daher auch der Auftraggeber oder gar Verfasser der Verse, deren im kleinen Schriftbild eher bescheidene Ausführung in einem erkennbaren Gegensatz zu der prächtig verzierten, auf Fernwirkung berechneten Prosa-Inschrift steht. Komplexe Familien-, Berufs- und auch Entstehungsumstände deuten sich in dem bemerkenswerten Monument an.

Der Vergleich mit den Grabstelen Hispaniens und anderer Provinzen zeigt, welch ungewöhnliche Ehrung ein solches Monument für ein Sklavenmädchen darstellt, eine Ehrung, die auf eine besondere Beziehung zu ihrem Herrn schließen lässt. Andere Grabepigrammen für Sklavenkinder belegen, dass neben der Zuneigung der Eltern und des Sklavenherrn die Hoffnung der Sklaveneltern, dass ihr Kind einst frei sein wird, und wirtschaftliche Aspekte den Hintergrund für diese Gedichte bilden, die eben nicht von Angehörigen einer sog. "Bildungsschicht" oder von Angehörigen gehobener sozialer Schichten stammen, sondern von Aufsteigern, also zum Beispiel von Sklaven, die aufgrund ihrer Tätigkeiten ein gewisses Prestige genießen. So ist zu vermuten, dass der Dominus Vitulus auch der Vater der Iucunda ist, der in eine musische Ausbildung seiner Tochter und Sklavin investiert hatte, für den ihr Tod damit auch einen finanziellen Verlust darstellte. Die Rolle der Sklavenkinder besteht in diesem Zusammenhang darin, dass sie sich aufgrund ihrer Bedeutung für den Besitzer und ihrer Leistung in einem bestimmten "Beruf" ein aufwändiges Grabmal "verdient" haben, und dass die Sklaveneltern über die Totenehrung ihrer Kinder ein Medium der Selbstdarstellung haben, über das sie sich in den Kreis der höher gestellten römischen Bürger zu integrieren versuchen.

Ingomar Weiler, Graz: Die Sklavin und ihre Kinder. Überlegungen zur Mutter-Kind-Beziehung im Altertum

Gegenstand des Beitrags ist die Frage, ob im Altertum zwischen Sklavinnen und ihren Kindern eine emotionale Bindung wie mütterliche Zuneigung existiert hat. Dabei wird von der Hypothese ausgegangen, dass mehrere Komponenten die Mutter-Kind-Beziehung bestimmen, die weitgehend unabhängig von sozialen Zuordnungen sind. Es werden daher in einem erweiterten Kontext auch prinzipielle Aspekte zur Mutterliebe in der Antike berücksichtigt. Ansatzpunkt ist die mehrfach bezeugte Praxis in patriarchischen Gesellschaften, dass Sklavenmütter von ihren eigenen Kindern getrennt wurden (Verkauf, Dislozierung, angeordnete Abtreibung, Aussetzung, Infantizid). Dass dieser Tatbestand von keiner Frau des Altertums, die neun Monate schwanger war, authentisch kommentiert wurde, verweist auf die prekäre Quellenlage. Der Versuch, intime Mutter-Kind-Beziehungen von Bildwerken abzuleiten, bleibt spekulativ. Einfühlsame literarische und poetische Belege (neben Diodor, Menander, Vergil, A. Gellius, Soranos, [Ps.-]Plutarch, vor allem Chariton aus Aphrodisias, Chaireas und Kallirrhoe 2,3,1-3,2,17) erlauben vielleicht Rückschlüsse darauf, wie schwangere Frauen und Mütter über ihre Trennung von ihren Kindern gedacht haben. Zum Abschluss wird noch der Versuch unternommen, den seit den 1960er Jahren geführten Diskurs über eine kulturrelativistische oder biologische Determiniertheit der Mutter-Kind-Beziehungen in die gegenständliche Fragestellung mit einzubinden.

Ergänzend zum Tagungsprogramm referierte Andreas Wacke (Köln) über einen bei Pomponius Dig. 49,15,6 überlieferten Fall der Entführung einer zur Strafarbeit in einer Saline verurteilten Frau durch eine kleine ausländische Räuberbande (latrunculi exterae gentis). Einem Centurio namens Cocceius Firmus soll das für die Rückführung der Strafsklavin gezahlte Lösegeld aus der Staatskasse erstattet werden. Selbiger centurio ist mehrfach auf Weihesteinen am Antoninuswall bei Auchindavy unweit Glasgows bezeugt. Die sensationelle Entdeckung erlaubt die Lokalisierung des von Pomponius geschilderten Entführungsfalles; die Datierung (um 160 n. Chr.) stimmt mit seiner zeitgenössischen Schrift überein. Ein vom Referenten vorgeschlagener planmäßiger Abgleich der in den Juristenschriften erwähnten Eigennamen mit der sonstigen (bes. epigraphischen) Überlieferung wird von Giuseppe Camodeca (Neapel) vorbereitet.

Alle Vorträge wurden rege diskutiert und kommentiert.

Die Vorträge werden veröffentlicht in:

"Kindersklaven - Sklavenkinder. Schicksale zwischen Zuneigung und Ausbeutung in der Antike und im interkulturellen Vergleich".

Beiträge zur Tagung des Akademievorhabens Forschungen zur antiken Sklaverei (Mainz, 14. Oktober 2008).

Herausgegeben von Heinz Heinen

Erscheint voraussichtlich in 2009 als Band 39 der Forschungen zur antiken Sklaverei.

Stand: 28. Juni 2013