Paläobotanik

Groß Rönnau. Pflugspuren unter bronzezeitlichem Grabhügel; Emmer (links) und Gerste (rechts) 
Groß Rönnau. Pflugspuren unter bronzezeitlichem Grabhügel; Emmer (links) und Gerste (rechts)

Im Mittelpunkt der paläoökologischen Untersuchungen stehen zahlreiche Fragen, die für den norddeutsch/südskandinavischen Raum nur in Ansätzen geklärt sind. Sie betreffen zum einen den Komplex der Nahrungswirtschaft. Was aß der Mensch während der Bronzezeit? Welche Formen der Feldwirtschaft gab es? Auf welchem Weg verbreiteten sich neue Kulturpflanzen und agrartechnische Innovationen der südlich benachbarten Kulturen in den skandinavischen Raum? Waren agrarische Überschüsse die wirtschaftliche Grundlage für den Erwerb neuer wertvoller Rohstoffe?

Bronzezeitliche Grabhügel sind heute weithin sichtbare Landmarken in unserer geöffneten Landschaft. Hatte man bereits im 2. vorchristlichen Jahrtausend aus größerer Entfernung einen freien Blick auf diese Monumente, oder beschränkte sich die Sicht auf den Nahbereich der Häuser? Setzte sich das Landschaftsbild aus einem kleinteiligen Mosaik von Wald, Feld und Weide zusammen, einer Parklandschaft ähnlich? Wie nachhaltig griff der Mensch in die natürliche Vegetation ein? Waren Bodenerosion und Entstehung von Heiden die Folgen einer Intensivierung des Ackerbaus? Und letztlich, welche ökologischen Faktoren lösten die Veränderungen im Hausbau, insbesondere die Aufstallung des Viehs, aus? Pollenprofile, welche die lokale Vegetation widerspiegeln, sind daher von besonderem Interesse.

Im Rahmen des Projektes werden archäologische Ausgrabungen zum Siedlungswesen in Schleswig-Holstein paläobotanisch begleitet. Aus lokalen Studien einzelner Regionen der Niederlande, Norddeutschlands und Südskandinaviens liegt eine gute Datenbasis vor, die einen Einblick in die bronzezeitlichen Wirtschaftsverhältnisse gibt. Doch fehlen für die geplante übergreifende Gesamtschau vor allem systematische Untersuchungen in Schleswig-Holstein, einer Region, die auf Grund ihrer geographischen Lage, eine Schlüsselposition bei der Klärung vieler den Kulturkreis der nordischen Bronzezeit betreffender Fragen einnimmt.

Großrestanalyse

Probennahme

Groß Rönnau. Probenaufbereitung 
Groß Rönnau. Probenaufbereitung

Grundlage archäobotanischer Forschungen sind pflanzliche Reste, die günstigenfalls subfossil vorliegen, wenn sie unter Sauerstoffabschluss in dauerfeuchtes Milieu geraten. Bei Trockenbodensiedlungen ist man auf verkohlte (fossile) Pflanzenfunde angewiesen, die im Feuer unvollständig verbrannten, entweder im Herdfeuer oder in Bränden. Es handelt sich bei diesen Funden ganz überwiegend um die Früchte oder Samen von Kultur- und anderen Nutzpflanzen, sowie um die Reste der synanthropen Vegetation, sei es um die der Siedlungen oder um die der Äcker. Fossile Pflanzenreste reichern sich in anthropogen entstandenen Schichten an. Ergiebige Fundquellen sind Gruben, Pfostenstandspuren, Feuerstellen. Selbst Pflugspuren enthalten manchmal noch verkohlte Kulturpflanzenreste. Durch ein einfaches Flotationsverfahren wird die leichte Fraktion (Samen, Früchte, Druschreste, Holzkohle) aus dem Substrat abgetrennt und anschließend analysiert.

Nahrungswirtschaft

Oeversee. Verkohlte Eicheln 
Oeversee. Verkohlte Eicheln

In den Jahren 2006-2009 wurden Befunde im Bereich älterbronzezeitlicher Grabhügel sowie nahe gelegener siedlungsverdächtiger Gebiete beprobt und auf fossile Pflanzenreste hin untersucht (Bornhöved und Groß Rönnau, beide Kr. Segeberg, sowie Oeversee und Hüsby, beide Kr. Schleswig-Flensburg). Reiches pflanzliches Fundmaterial, das sich für vergleichende Betrachtungen eignet, stammt aus zwei Hausbefunden von Brekendorf, Kr. Rendsburg-Eckernförde, und einem Haus in Rothenkirchen auf Rügen. Die bisherigen Ergebnisse lassen auf ein sehr divergentes Bild der Nahrungswirtschaft bereits in der ältesten Phase schließen. Einerseits spiegelt sich in den nachgewiesenen Getreidekollektionen von Groß Rönnau, Oeversee und Brekendorf ein schlichter Ackerbau mit Emmer und Gerste als Hauptkulturpflanzen. Andererseits zeichnet sich sowohl in Bornhöved als auch in Rothenkirchen eine Weiterentwicklung in Richtung eines reicheren Getreidespektrums ab. Als neue Kulturpflanze tritt hier Dinkel mit knapp 5 % im Fundgut auf, ein erster Hinweis auf den jüngerbronzezeitlichen intensiven Feldbau. Neben der Kultivierung von Nutzpflanzen spielen gesammeltes Obst und Nüsse eine weiterhin wichtige Rolle bei der menschlichen Ernährung. Davon zeugt der Massenfund von verkohlten, bereits geschälten Eicheln in drei Siedlungsgruben bei Oeversee.

Pollenanalyse

Flintbek. Profilkern und Diagramm aus dem Kirchenmoor 
Flintbek. Profilkern und Diagramm aus dem Kirchenmoor

Palynologisch ausgewertete Bohrprofile aus Seesedimenten und Mooren eignen sich hervorragend zur Rekonstruktion des Landschaftsbildes vorangegangener Jahrhunderte. Für Untersuchungen auf dem Sander ist das Umfeld der beiden bei Brekendorf freigelegten Hausgrundrisse vorgesehen. Als Kernregion für die landschaftsökologischen Arbeiten auf der Grundmoräne dient das Umfeld der Grabhügelgruppe von Flintbek. Die hier vermutete Siedlungskammer wird im Süden und Osten von vier in einer Reihe liegenden Mooren begrenzt und erscheint daher als besonders geeignet für Studien zur anthropogen beeinflussten Vegetation. In Abhängigkeit von ihrer Nähe zu den Wirtschaftsflächen sollte das Signal, das durch siedlungsanzeigende Arten gegeben wird, in den Pollendiagrammen unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Somit lässt sich dann im Vergleich der Profile die spätneolithische und bronzezeitliche Natur- und Kulturlandschaft im Detail rekonstruieren.

Ein Sedimentkern aus dem südlichen Kirchenmoor ist derzeit in Bearbeitung. Für das Fehltmoor liegen Voruntersuchungen vor. Schon jetzt lassen sich für den vorchristlichen Zeitabschnitt drei Siedlungsphasen im Gebiet ausmachen, die klar voneinander abgegrenzt sind: die mittelneolithische Landnahmephase, ein bronzezeitlicher sowie ein eisenzeitlicher Anstieg der Siedlungszeiger. Der Prozess der beginnenden Ausbreitung der Heide als Anzeichen für einen nachhaltigen anthropogenen Eingriff in die Landschaft wird in diesem Diagramm vom Pollenniederschlag der mooreigenen Vegetation verschleiert.