Vorträge auf der Mitarbeitertagung der Forschungen zur antiken Sklaverei (Mainz, 19. Oktober 2004)

Alexander Weiß: Die öffentlichen Sklaven in den Städten des römischen Reiches

Der Referent stellte Ergebnisse seiner Dissertation zu den öffentlichen Sklaven in den Städten des römischen Reiches vor. Hier ging es vorrangig um die Definition der städtischen servitus publica, den Erwerb von öffentlichen Sklaven, deren Tätigkeitsfelder sowie der Stellung der öffentlichen Sklaven in der städtischen Gesellschaft. Als Kriterium für einen öffentlichen Sklaven genügte in den Städten der Besitz an einem Sklaven. Dies zeigt die Bezeichnung von bereits im Kindesalter verstorbenen Sklaven als servi publici. Die familia publica wurde wohl vor allem durch den eigenen Nachwuchs ergänzt, doch finden sich unter den servi publici auch Kaufsklaven, die aus weit entfernten Regionen stammen konnten. Die Tätigkeitsfelder der öffentlichen Sklaven umfassten die Bereiche der städtischen Administration, insbesondere der Finanzverwaltung, den Einsatz von öffentlichen Sklaven als Hilfspolizei, ihre Beschäftigung im handwerklich-technischen Bereich, aber auch im kultischen Kontext. Einige öffentliche Sklaven gelangten zu erheblichem materiellen Reichtum, den sie in euergetische Stiftungen investierten, womit sie Verhaltensmuster der lokalen Oberschichten adoptierten und in den Kreis der städtischen Eliten aufsteigen konnten.

[Zu diesem Thema ist erschienen: Alexander Weiß: Sklave der Stadt. Untersuchungen zur öffentlichen Sklaverei in den Städten des römischen Reiches. Stuttgart 2004 Reiches (Historia-Einzelschrift 173)].

 

Wolfgang Waldstein: Iavol. D. 35,1,40,3 und Ulp. D. 12,4,3,7 als Beispiele für den Einfluss der griechischen Philosophie auf die römische Rechtswissenschaft

In beiden genannten Texten werden Entscheidungen klassischer römischer Juristen überliefert, die in der Gegenüberstellung zum strengen römischen Recht von diesem abweichen und dieses korrigieren. In beiden Fällen ist die erkennbare Absicht der Korrektur eine gerechtere Lösung. Die Begründungen der Entscheidungen verweisen dabei im ersten Fall auf eine naturalis obligatio im Gegensatz zur civilis, im zweiten Fall auf die naturalis aequitas. Iavolenus führt auch den Willen des Erblassers an. In der Diskussion wurde eingewandt, man brauche daher die naturalis obligatio gar nicht zu bemühen. Iavolenus wusste aber offenbar, dass dieser Wille allein gerade nicht genügt, weshalb er sagt, dass „eher eine Naturalobligation als eine zivile Schuld zu berücksichtigen ist, und dieses Recht wenden wir an“. Über die Entscheidung des Celsus im Fall einer irrtümlich geleisteten Nichtschuld, die nach strengem Recht nicht zurückforderbar war, sagt Ulpian: „Celsus meint aus Gründen der natürlichen Gerechtigkeit jedoch, die zehn könnten zurückverlangt werden“. Ulpian fügt hinzu: „Diese Auffassung ist richtiger“. Sowohl die naturalis obligatio als auch die naturalis aequitas hängen nachweislich mit dem Einfluss der in der griechischen Philosophie gewonnenen Erkenntnisse zusammen, die seit dem 2. Jh. v. Chr. den römischen Juristen vermittelt wurden. Sie haben wesentlich zur Entwicklung des klassischen römischen Rechts beigetragen.

[Publikation in Orbis iuris romani vorgesehen].

 

Ingomar Weiler: Die Beendigung des Sklavenstatus im Altertum. Ein Beitrag zur vergleichenden Sozialgeschichte

Gegenstand der Ausführungen sind Nachrichten über Freilassungsmodalitäten im Alten Orient sowie im präkolonialen und kolonialen Westafrika. Anhand früher Rechtscodices (Urukagina, Hammurabi), neusumerischer Gerichtsurkunden, Belege im Alten Testament und einzelner Fallbeispiele, die C. Meillassoux (Anthropologie der Sklaverei. Frankfurt am Main - New York 1989) insbesondere bei afrikanischen Stämmen gesammelt und analysiert hat, kann ein Katalog von Voraussetzungen, Motiven und Faktoren, die bei der Freilassung eine Rolle spielen, erstellt werden. Diese quellenkundlichen Materialien und Interpretationen werden noch um jene Erkenntnisse erweitert, die O. Patterson (Slavery and Social Death. A Comparative Study. Cambridge Mass. - London 1982) in seinen „patterns of manumission“ zusammengefasst hat. Die auf diesem Weg rekonstruierte Typologie liefert die Grundlage für komparative Betrachtungen der Freilassungen in der griechisch-römischen Welt, der Spätantike, im europäischen Mittelalter, schließlich auch in der amerikanischen Sklaverei.

[Publikation: Ingomar Weiler: Die Beendigung des Sklavenstatus im Altertum. Ein Beitrag zur vergleichenden Sozialgeschichte. Stuttgart 2003 (Forschungen zur antiken Sklaverei 36)].

 

Andrea Binsfeld: „Im Tode vereint“ - eine neue Inschrift zur Bestattung von Sklaven und Freigelassenen

Vorgestellt wurde die noch unpublizierte Inschrift des Freigelassenenpaares Calvenus Epaphroditus und Calvena Helpidia. Die Inschrift hält fest, dass das Paar den rechten Teil eines Grabmals für sich, seine vier Kinder, seine Freigelassenen und deren Nachkommen sowie zwei weiteren Personen, deren Beziehung zu den Calveni aus der Inschrift nicht hervorgeht, erworben hat. Die Inschrift liefert einen weiteren Beleg für den seltenen Gentilnamen Calvenus, für den sich lediglich Beispiele in Rom und in den Abruzzen finden. Aufgrund des Schriftcharakters sowie der Verwendung des Gentilnamens Octavia als Cognomen (Hinweis von Hrn Solin) kann die Inschrift in das 2. Jh. n. Chr. datiert werden. Der Vergleich mit Inschriften aus Rom und Ostia führt zu dem Schluss, dass auch die Inschrift der Calveni aus einem Mausoleum Roms oder der Umgebung Roms stammt. Dieser Grabmaltyp bietet sich für die Bestattung einer Vielzahl von Personen an, zu denen auch Patron, Freunde und Sklaven gehören können. Der Grabherr ist im Kreis seiner familia bestattet. Status und Reichtum treten nach außen nicht in Erscheinung. Zum Vergleich wurden Grabmäler der späten Republik und der frühen Kaiserzeit herangezogen, die den engeren Kreis der Familie um den Grabherrn stärker hervortreten lassen. Monumentalität und Selbstdarstellung charakterisieren die Grabmäler der Freigelassenen zu dieser Zeit.

[Publikation in Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik].

 

Ulrike Roth: Die Sklavin in der römischen Landwirtschaft – Anmerkungen zur Rolle der vilica

Der Vortrag beschäftigte sich mit einer Analyse der Rolle der vilica auf den Gutsbetrieben der Römer im spätrepublikanischen Italien und in der frühen Kaiserzeit. Das Hauptargument bestand darin, die vilica nicht als Partnerin (‘Frau’) des vilicus zu verstehen, sondern, aufgrund von epigraphischen und literarischen Quellen, zu argumentieren, dass die vilica die ‘Frau’ des vilicus sein kann, dies aber nicht sein muss, und wahrscheinlich eher selten war, d.h. dass ihr Status vorerst professionell zu verstehen ist, und nicht im persönlichen Bereich anzusiedeln ist. Die Schlussfolgerung dieses Argumentes besteht darin, die Arbeitswelt der vilica wirtschaftlich ernster zu nehmen, vor allen Dingen bzgl. der Manufaktur von Textilien und anderen handwerklichen Produkten auf römischen Gutsbetrieben. Der Vortrag platzierte das Argument über die Rolle der vilica in den weiteren Kontext der römischen Geschichte der Zeit um Möglichkeiten aufzuzeigen, wie die Studie der Wirtschaftsrolle von Frauen auf andere Themenbereiche der Alten Geschichte Einfluss haben kann. Hier wurde vor allen Dingen argumentiert, dass die handwerklichen Produkte der Villenwirtschaft einen größeren Einfluss auf die Entwicklung der römischen Expansion gehabt haben könnte als dies bisher aufgezeigt wurde, d.h. dass wirtschaftliche Motive eine größere Rolle spielten als dies allgemein angenommen wird.

[Vgl. die folgende Publikation: Ulrike Roth: Inscribed Meaning: The vilica and the Villa Economy. In: PBSR 72 (2004) 101-124].

 

Richard Klein: Ennodius von Pavia und die Sklaverei. Ein Einblick

Ein erster Blick auf die Einstellung des aus vornehmem gallischen Geschlecht stammenden, vor seiner Zeit als Mailänder Bischof in Pavia tätigen Diakons Ennodius zur Sklaverei (bes. aus seinen 297 Briefen) zeigt, dass auch er die damals in weltlichen und geistlichen Kreisen üblichen abwertenden Urteile bedenkenlos übernimmt, zumal er selbst Sklaven besitzt, die er wiederholt als Boten benützt. Andererseits beweist er seine christliche Gesinnung z. B. durch die Selbstbezeichnung als servus dei, sein wiederholtes Eintreten für in Unglück geratene Unfreie, seine aktive Hilfe für geflohene Sklaven, auch wenn er stets am Besitzrecht der Herren festhält, und seine Mithilfe beim Loskauf von Kriegsgefangenen. Im Fall des freizulassenden Sklaven Gerontius kommt er sogar auf den philosophisch-theologischen Hintergrund, der ursprünglichen Freiheit aller Menschen vor dem Sündenfall Adams, zu sprechen. In seinem libellus pro synodo, mit dem er Papst Symmachus gegen seinen Widersacher Laurentius nachhaltig unterstützt, distanziert er sich mit Nachdruck von der damals noch üblichen Folterung von Unfreien und tritt für eine Gleichwertigkeit aller Menschen ein, versucht allerdings im speziellen Fall mit fragwürdigen Methoden die Befragung von Sklaven vor Gericht zugunsten des Laurentius zu verhindern.

[Publikation geplant].

 

 

Stand: 28. Juni 2013